Biomechanik von Zellen in Lab-on-a-Chip-Methode nachgestellt
Die mechanische Umgestaltung der extrazellulären Mikroumgebung spielt eine entscheidende Rolle bei biologischen Prozessen wie der Entwicklung und Aufrechterhaltung physiologischer Gleichgewichtszuständen (Homöstase), sowie bei der Wundheilung. Ihre Nachbildung im Labor kann Aufschlüsse über die Ursachen pathologischer Veränderungen liefen. Bisherige instrumentelle Methoden ließen sich jedoch nicht in Lab-on-a-Chip-Systeme integrieren und boten nur begrenzte Genauigkeit. Das Team um Dr. Katja Zieske, Leiterin der unabhängigen Forschungsgruppe ›Molekulare Biophysik & Lebende Materie‹ am MPL, präsentiert nun eine neue Methode, mit der sich räumlich und zeitlich kontrollierte mechanische Störungen biologischer Polymernetzwerke auf einem Lab-on-a-Chip-System simulieren lassen. Biologische Prozesse können bei solchen Störungen so mikroskopisch untersucht werden.
Intelligente Hydrogele als Mikromaschinen
Die Wissenschaftler*innen nutzen intelligente Hydrogel-Mikrostrukturen. Diese leistungsstarken Materialien bestehen aus Polymeren, die auf Reize wie Licht oder Temperatur mit einer Änderung ihrer Struktur reagieren. Je nach Impuls ziehen sie sich zusammen oder dehnen sich aus. Diese Eigenschaften machten sich die Forschenden am MPL zunutze, um gezielt definierte biomechanische Krafteinwirkung auf biologische Polymernetzwerke wie Kollagen auszuüben. Zusätzlich konnten Wissenschaftler*innen die Kompatibilität des Systems mit lebenden Zellen evaluieren.
Zunächst hat das Team um Zieske thermoresponsive Hydrogel-Mikrostrukturen in Strömungskammern hergestellt und optimiert. Die Ausdehnung der Hydrogel-Mikrostrukturen wurde unter zeitlich kontrolliertem Temperaturreiz zur Kompression verschieden Molekülnetzwerken getestet, etwa Matrigel, eine gelartige Proteinmischung, sowie ein Kollagennetzwerk. Nach Komprimierung wurde die jeweilige Verformung gemessen. Während sich Matrigel plastisch verformte, entspannte sich Kollagen elastisch. Durch diese Nachahmung von zellulären Druckkräften mittels intelligenter Hydrogel-Mikrostrukturen, liefert das Team um Zieske ein neues vielseitiges System für Forschungszwecke. Gegenstand künftiger Studien können einerseits die Umgestaltung der extrazellulären Matrix als auch die Auswirkungen mechanischer Kräfte auf ihre zelluläre Mikroumgebung sein – sowohl im physiologischen als auch in pathologischen Kontext.
„Unsere Methode erlaubt es, mechanische Kräfte mit hoher räumlicher und zeitlicher Präzision zu erzeugen und die Auswirkungen auf biologische Systeme zu erfassen. In Kollagen konnten wir Veränderungen, die durch diese Kräfte ausgelöst wurden, noch in Distanzen von hunderten Mikrometer Entfernung nachweisen, indem wir fluoreszierende Mikrokügelchen verfolgten“, sagt Vicente Salas-Quiroz, Erstautor der vorgestellten Arbeit.
„Unsere Vision ist es, smarte Mikrostrukturen für die medizinische Diagnostik zu entwickeln, um einen Beitrag zu einem zukunftsfähigem Gesundheitssystem zu leisten – etwa bei der Untersuchung von 3D-Zellmodellsystemen, wie Krebsmodellen und Modellen für die Blutgefäßbildung. Intelligente Hydrogel-Mikrostrukturen in Lab-on-a-Chip-Systemen könnten künftig als Mikromaschinen dienen, um Gewebemodelle auf der Mikrometer-Skala zu manipulieren. Wir sehen hier großes Potenzial für den diagnostischen Einsatz“, ergänzt Zieske.
Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts
Originalpublikation:
Vicente Salas-Quiroz, Katharina Esch, and Katja Zieske. Stimulus-induced mechanical compaction of biological polymer networks via smart hydrogel microstructures. Lab Chip, 2025,25, 5894-5905. DOI: https://doi.org/10.1039/D5LC00477B





