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Fledermäuse in gestörten Ökosystemen sind häufiger mit Coronaviren infiziert

Bild: PixabayCC0

Tiere aus gestressten Ökosystemen sind stärker mit Coronaviren belastet, was die Übertragungsmöglichkeiten auf den Menschen verstärkt.

Bereits dreimal haben Coronaviren aus wilden Fledermauspopulationen in den vergangenen 20 Jahren zu großen Krankheitsausbrüchen beim Menschen geführt: SARS im Jahr 2002, MERS im Jahr 2012 und COVID-19. Letzterer zog eine globale Pandemie nach sich, von deren Folgen sich die Menschheit noch immer nicht gänzlich erholt hat. Das hat auch für eine erhöhte Aufmerksamkeit für Infektionskrankheiten gesorgt, deren Ursprünge im Tierreich liegen – sogenannte Zoonosen.

Eines ist inzwischen klar: Die Wahrscheinlichkeit für sogenannte Spillover-Ereignisse, bei denen Krankheitserreger von Tieren auf den Menschen überspringen, wird umso größer, je stärker der Mensch der Wildnis auf den Pelz rückt. Dabei spielen verschiedene Faktoren eine Rolle. Zum Beispiel, wie stark menschliche Invasionen in intakte Ökosysteme die Kontaktraten zwischen Menschen und potenziell infizierten Arten erhöhen oder wie leicht ein Virus sich an einen neuen Wirt anpassen kann.

Dr. Vera Warmuth und Prof. Dr. Dirk Metzler aus dem Fachbereich Evolutionsgenetik der LMU haben nun gemeinsam mit der Fledermausökologin Dr. Veronica Zamora-Gutierrez am CIIDIR Durango in Mexiko einen weiteren Zusammenhang nachgewiesen, der dabei relevant ist: Die Studie konnte klar nachweisen, dass Fledermäuse in (vom Menschen) gestörten Habitaten häufiger mit Coronaviren infiziert sind als solche in ungestörten Habitaten.

Dafür haben die Forschenden mittels einer Metaanalyse Informationen zu Infektionsraten bei Fledermäusen aus aller Welt zusammengetragen und statistisch analysiert. Dabei sind Daten von über 26.000 Fledermäusen aus über 300 Arten in die Auswertung eingeflossen und mit Daten zur Landbedeckung und Landnutzung in Verbindung gebracht worden.
„Viele Formen der Landnutzung bedeuten einen Verlust von wichtigen Ressourcen für Wildtiere; im Falle von Fledermäusen etwa Jagd- oder Schlafplätze“, sagt Vera Warmuth.

Dass ein solcher Ressourcenverlust für Wildtiere zu chronischem Stress führen kann, wurde bereits mehrfach gezeigt. Wenn Fledermäuse aufgrund menschlichen Eingreifens keine Schlafplätze oder weniger Nahrung fänden, könne der damit verbundene chronische Stress zu einer Abschwächung der Immunabwehr führen.

„Die negativen Auswirkungen von chronischem Stress auf das Immunsystem von Säugetieren sind gut bekannt. Unsere Ergebnisse zeigen ganz klar, dass Tiere in gestörten Ökosystemen häufiger infiziert sind. Je stärker ein Gebiet durch den Menschen beeinflusst ist, desto mehr Coronaviren finden sich in den dort lebenden Fledermäusen“, meint Warmuth.

Besonders stark stechen dabei drei Formen der Landnutzung heraus: Landwirtschaft, Abholzung und der Abbau von Bodenschätzen. Sie stellen den Autoren der Studie zufolge die größten Stressfaktoren für die Fledermauspopulationen dar. Durch sie werden Waldhabitate zerstört oder fragmentiert, die Fledermäuse finden wegen des Anbaus von Monokulturen und dem Einsatz von Pestiziden weniger Futter in Form von Insekten und verlieren selbst ihre unterirdischen Schlafplätze, wenn Bergbau betrieben wird.

Ökologischer Stress wirkt sich also signifikant auf die Häufigkeit von Coronaviren in einer Tiergruppe aus, der eine große Bedeutung als Virus-Reservoir in der Natur zukommt. „Wenn wir das Ausbreitungsrisiko möglicher Zoonose-Erreger vorhersagen und eingrenzen wollen, ist es nach unseren Erkenntnissen notwendig, auch ihre Häufigkeit in Wildtierpopulationen zu überwachen. Insbesondere wenn der menschliche Druck auf Ökosysteme weiter steigt“, meint Metzler. „Die Modelle weisen auch auf eine Handvoll Regionen, insbesondere im Osten der Vereinigten Staaten und in Indien, hin, in denen verstärkte Überwachungsmaßnahmen besonders wichtig sein könnten.“

Ludwig-Maximilians-Universität München


Originalpublikation:

Vera M. Warmuth, Dirk Metzler, Veronica Zamora-Gutierrez; Human disturbance increases coronavirus prevalence in bats. Science Advances, 2023, DOI: 10.1126/sciadv.add0688