Eine mögliche undifferenzierte Anwendung der auf dem Tisch liegenden Vorschläge auch im Bereich der wissenschaftlichen Tierversuche leistet hingegen nur einen äußerst geringen Beitrag zur Minimierung des Antibiotikaeinsatzes. Dem geringen Nutzen eines Antibiotikaverbots in der Zucht und Haltung von Tieren für wissenschaftliche Zwecke steht die absehbare Gefahr gegenüber, dass eine sehr weitgehende Einschränkung der Antibiotikanutzung die Erforschung von Krankheiten bei Mensch und Tier stark beeinträchtigt. In verschiedenen Forschungsbereichen werden zwingend bestimmte Antibiotika benötigt. Da wir heute nicht wissen, welche neuen Forschungsansätze in Zukunft den Einsatz welcher Antibiotika erfordert, ist es kontraproduktiv, die Anwendung bestimmter Antibiotika auch für wissenschaftliche Tierversuche generell zu verbieten.
Perspektivisch wünscht sich der VBIO eine offene Diskussion darüber, ob Fragen des Tierschutzes bei wissenschaftlichen Versuchstieren und entsprechende Regulierungen nicht im Rahmen des Wissenschaftsressorts geklärt und gesetzgeberisch behandelt werden sollten. Dabei ist uns bewusst, dass ein solches Vorgehen nicht dem status quo auf Ebene der Nationalstaaten entsprechen würde.
Zum Hintergrund:
Die europäische Kommission hatte einen „delegierten Rechtsakt“ vorgelegt, der vorsieht, die Verwendung bestimmter Antibiotika bei Tieren zu unterbinden. Betroffen sind Antibiotika, die für die menschliche Gesundheit von großer Bedeutung sein sind, bei denen ein hohes Risiko der Resistenzübertragung besteht und für die es in Hinblick auf die Tiergesundheit Alternativen gibt. Der Umweltausschuss des Europäischen Parlaments hatte sich im Juli gegen den delegierten Rechtsakt ausgesprochen, da er befürchtet, dass der Vorschlag der Kommission für die Kriterien zur Bestimmung der Reserveantibiotika erhebliche Schlupflöcher enthält, die es ermöglichen würden, Reserveantibiotika doch in der Tiermast einzusetzen. Am 15. September wird das Plenum des EU-Parlaments über den Entschließungsantrag des Umweltausschusses abstimmen. Sollte der Antrag im Plenum eine Mehrheit finden, wird die EU-Exekutive den delegierten Rechtsakt überarbeiten müssen.