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Carbon Farming: Agrarkonzerne wecken falsche Hoffnungen

Agroforstwirtschaft - hier auf einem Feld im englischen Shropshire - ist eine Form der Landwirtschaft, in die der Anbau von Bäumen integriert ist.
Agroforstwirtschaft - hier auf einem Feld im englischen Shropshire - ist eine Form der Landwirtschaft, in die der Anbau von Bäumen integriert ist.© istock/a-shropshire-lad

Die Landwirtschaft trägt erheblich zur Klimakrise bei. Große Agrarkonzerne sehen eine Lösung darin, mit einer Reihe von landwirtschaftlichen Methoden die Kohlenstoffbindung in Böden zu erhöhen. Doch in der Praxis ist das „Carbon Farming“ laut einer in „Environmental Science & Policy“ erschienenen Studie mit Problemen verbunden. So basieren die Erwartungen an die Maßnahmen meist auf Schätzungen. Auch könnten große Unternehmen das System nutzen, um ihre CO2-Bilanz mit Zertifikaten auszugleichen, ohne ihre Praktiken zu ändern. Dadurch wird der Beitrag von Carbon Farming zum Klimaschutz möglicherweise überschätzt. 

Zum Carbon Farming zählen Maßnahmen wie die Agroforstwirtschaft, der Zwischenfruchtanbau, konservierende Bodenbearbeitung und optimierter Düngemitteleinsatz. Agrarkonzerne versprechen sich davon einen Beitrag zum Klimaschutz und gleichzeitig höhere Einnahmen für die Landwirte, weil diese durch die Kohlenstoff-Speicherung CO2-Zertifikate generieren und verkaufen können. In der Praxis gibt es laut den Forschenden Sarah Hackfort (Humboldt-Universität zu Berlin) und Tobias Haas (Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit) allerdings erhebliche Risiken und Unsicherheiten.

Zweifel an langfristiger Speicherung

Eine der offenen Fragen betrifft die Langfristigkeit der Speicherung. „Der im Boden gespeicherte Kohlenstoff kann aufgrund von Veränderungen in der Landbewirtschaftung, Klimaschwankungen oder Bodenstörungen wieder in die Atmosphäre freigesetzt werden, was zu einer Umkehrung der Bindungsgewinne führen kann“, erläutert Tobias Haas. Das Potenzial, mehr Kohlendioxid im Boden zu speichern, bestehe durchaus. Aber ob die Speicherung über längere Zeiträume Bestand hat, sei unsicher.

Die schwankenden Bedingungen der Kohlenstoffspeicherung im Boden erschweren laut den Forschenden auch den Einsatz wissenschaftlich fundierter, robuster Messinstrumente. Etablierte Agrarunternehmen verschleierten das häufig, indem sie den Begriff „Messungen“ verwenden, wo „Schätzungen“ angemessener wäre, und Zusatznutzen wie höhere Ernteerträge versprechen, die möglicherweise nicht realisierbar sind.

Diskussion lenkt von Notwendigkeit der Emissionsreduktion ab

Die Unsicherheit, wieviel Kohlenstoff die Landwirtschaft überhaupt einlagern kann, stelle die Sinnhaftigkeit von Kohlenstoffmärkten für Carbon Farming grundsätzlich in Frage. Probleme bereits bestehender Kohlenstoffmärkte könnten sich zudem reproduzieren. Laut Studien sind viele der dort behaupteten Emissionsvermeidungen, etwa durch Aufforstung, zweifelhaft. Wenn dies auch beim Carbon Farming passiert, schadet dies der Glaubwürdigkeit und Legitimität der Agrarindustrie.

„Insgesamt zeigt die Debatte über Carbon Farming, dass sich die großen Agrarunternehmen ähnlich wie die petrochemische Industrie als Teil der Lösung des Klimaproblems positionieren wollen. Die Vorstellungen, die sie dabei propagieren, wecken jedoch falsche Hoffnungen und lenken die Aufmerksamkeit von der Notwendigkeit zur Reduktion von Emissionen und eines tiefgreifenden Wandels des Agrarsystems ab“, sagt Haas. Die Debatte zu Carbon-Farming-Ansätzen könne zu einer Fortsetzung des bestehenden agroindustriellen Modells beitragen – mit negativen Folgen für das Klima.

Forschungsinstitut für Nachhaltigkeit Helmholtz-Zentrum Potsdam


Originalpublikation: 

Hackfort, S., & Haas, T. (2025). The political economy of carbon farming: Analyzing agribusiness’ accumulation strategy and the imaginary of soil carbon markets. Environmental science and policy, 171: 104123. https://doi.org/10.1016/j.envsci.2025.104123