VBIO

Bedeutung der praktischen Lehre, insbesondere unter den Rahmenbedingungen der Covid19-Pandemie

Der Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultätentag appelliert an alle Verantwortlichen, entsprechende Mittel und Infrastruktur bereitzustellen, um auch in Zeiten der digitalen Semester praktische Lehre unter den entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen durchführen zu können. Es ist der Kern der naturwissenschaftlichen Methode, Hypothesen im Experiment zu überprüfen. Jeder Naturwissenschaftler und jede Naturwissen­schaftlerin muss daher auch und gerade jetzt die Möglichkeit erhalten, praktische Arbeit im Labor zu erlernen. Dazu müssen insbesondere die Studierenden im ersten Semester für ihre Praktika an die Universitäten geholt werden und angemessen betreut werden.

Präambel

Die praktische Ausbildung stellt in den naturwissenschaftlichen Fachbereichen einen Kernbereich der Lehre dar und ist für einen Abschluss in den experimen­tellen Naturwissenschaften (Biologie, Biotechnologie, (Bio-) Chemie, Pharmazie, Physik, etc.) absolut essentiell. Die Curricula entsprechender Fächer weisen dazu in den Bachelor-, Master- bzw. Staatsexamensstudiengängen in vielen Fällen einen Anteil der prakti­schen Ausbildung von deutlich mehr als 50% aus und legen so das Fundament nicht nur für Abschluss­arbeiten, sondern auch die entsprechende Qualifikation für den Arbeitsmarkt.
Die aktuell so wichtige Diagnostik von SARS-CoV2 mittels molekularbiologischer Methoden veranschaulicht exemplarisch, wie zentral der Erwerb prakti­scher Kompetenzen ist. An zahlreichen Standorten konnten Studierende der Master- und Staatsexamensstudiengänge sowie Promovenden aufgrund ihrer exzellenten praktischen Ausbildung kurzfristig für die Durchführung dieser hochkomplexen und extrem verantwortungsvollen Tätigkeiten gewonnen werden, um den Personalmangel an Kliniken und Untersuchungslaboratorien auszugleichen.

Ausgangslage und Problem

Alle Universitäten bereiten aktuell das kommende Winter­semes­ter 2020/21 vor. Angesichts der Covid19-Pandemie soll es an vielen Standorten als Hybridsemester durchgeführt werden.
Insbesondere für die großen gesellschaftlichen Themen wie zum Beispiel Gesundheit, demographischer Wandel, Biodiversitätsverlust, Klimaschutz, saubere Energie, Ressourcen­effizienz und Nachhaltigkeit benötigen wir Hochschul­absol­vent*innen mit praktischen Fähigkeiten und breitem naturwissenschaftlichem Know-How. Ohne diese sehr praktische Ausbildung, die in den meisten Studiengängen ab dem ersten Semester beginnt, wären Absolvent*innen der natur­wissen­schaftlichen Studiengänge nicht auf ihren späteren Beruf vorbereitet und der beruflich-praktische Aspekt des Studiums entsprechend der ursprünglichen (Re-) Akkreditierung nicht erfüllt.
Mit Sorge beobachten wir, dass der Vermittlung praktischer Kompetenzen in Labor und Freiland unter den derzeitigen Pandemiebedingungen vielerorts nur eine geringe Priorität eingeräumt wird. An den Standorten, an denen trotzdem versucht wird, die praktische Präsenzlehre aufrecht zu erhalten, führt dies zu einer deutlichen Erhöhung des Arbeits­aufwands, der insbesondere vom akademischen Mittelbau und den Promovenden getragen werden muss. Die Erhöhung des Platzbedarfs auf bis zu 20 qm pro Student*in bedeutet teilweise eine Verdreifachung des Zeit- bzw. Flächenbedarfs und damit auch eine Verdreifachung des Personaleinsatzes, sowie oft auch eine Erhöhung des Materialbedarfs, insbesondere, wenn zuvor in Kleingruppen gearbeitet wurde.

Lösungsansätze

Der MNFT drängt auf mehr Unterstützung durch die Politik und die Hochschulleitungen, um unseren Studierenden ein effizientes und adäquates Studium mit der bestmöglichen praktischen Ausbildung zu ermöglichen.
1. Schaffung zusätzlicher Personalkapazität (Wissenschaftliche Hilfskräfte, Schaffung neuer Stellen bzw. Vertragsverlängerungen), die Bereitstellung von Sondermitteln für die Ausbildung sowie für die Umsetzung von Hygiene­vor­schriften. Mit Hilfe zusätzlicher Sicherheitsmaßnahmen (Masken, Plexiglas­wände, das Bilden von konstanten Studierendengruppen, etc.) sollte so die Nutzungsdichte in den Praktika erhöht werden.
2. Pragmatische Herangehensweise an die Beurteilung der Ansteckungs­gefahr in dem Sinne, dass diese dem Alltagsrisiko entspricht. Gruppengrößen und Abstandsregelungen sollten schnellstmöglich an die jeweils gültigen Landesregeln angeglichen werden.
3. Verlagerung der Kompetenz für die Rahmenbedingungen von Lehr­ver­an­staltungen auf die Ebene der Dekanate und Fachbereiche unter Einbe­zie­hung der Sicher­heitsdezernate. Verschlankung und Beschleunigung der Kommunika­tions­wege und Einbindung örtlich vorhandener Fachexpertise.
4. Kommunikation zwischen Hochschulen und den Entscheidungsebenen der Länder zur Ermittlung praktikabler Lösungsansätze (im Sinne von Best-Practice Beispielen) insbesondere zu Abstandsregeln und Platzbedarfen in Praktika. Hier bietet der MNFT gern sein Netzwerk zur Unterstützung an.
5. Klare und sinnvolle Definition, aber auch Begrenzung von digitalen Lehr­ver­anstaltungen. Im Bereich der praktischen Ausbildung sollte eine Digitali­sie­rung nur in didaktisch gut begründeten Ausnahmefällen eingesetzt werden.

MNFT