Eine digitale Reise zu Humboldts Fundorten
Auf www.herbarium.gbif.de können Botanik-Interessierte neben den hochaufgelösten Fotografien von 300.000 historischen Belegen – unter ihnen Originalbelege von Alexander von Humboldt oder Carl Ludwig Willdenow – auch die genauen Fundorte auf einer digitalen Weltkarte entdecken. Das Portal bietet Hobby-Botanikerinnen und Pflanzenliebhabern ebenso wie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern erstmals einen anschaulichen Schnelleinstieg in die digitalisierten Belege der deutschen Herbarien. Neben seltenen Typus-Exemplaren (erstmalig botanisch beschriebene Arten) finden sich auch Belege zu Pflanzen, die heute gefährdet oder vom Aussterben bedroht sind: so eine Form des Königsfarns (Osmunda regalis f. crispa Willd), die Humboldt in der Nähe des Humboldt-Schlösschens in Berlin gesammelt hat. Das Virtuelle Herbarium Deutschland präsentiert bisher über zwanzig Sammlungen von Universitäten, Museen und anderen wissenschaftlichen Einrichtungen – zu den teilnehmenden Partnern gehören unter anderem das Herbarium Senckenbergianum Frankfurt/Main und das Herbarium Haussknecht der Friedrich-Schiller-Universität Jena.
Herbarium 3.0 – neues Wissen dank digitaler Vernetzung
Virtuelle Herbarien sind Wissensbasis und unverzichtbare Quelle für die aktuelle und zukünftige Forschung zur globalen Biodiversität. Durch digitale Aufbereitung der Belege von Pflanzen, Pilzen und Algen und ihre Vernetzung mit weiteren Forschungsdaten können heute völlig neue Erkenntnisse über die Verteilung von Arten in Raum und Zeit gewonnen und neue Handlungsempfehlung zu ihrem Erhalt entwickelt werden: „Je mehr Daten wir intelligent verknüpfen, umso besser werden wir Entwicklungen rund um Global Change modellieren und wegweisende Prognosen treffen können. Die deutschen Herbarien arbeiten daher eng zusammen, um eine vollständige Digitalisierung ihrer Sammlungen zu erreichen. Dies ist nicht nur eine wichtige Grundlage für die Forschung, sondern auch eine Investition in unser aller Zukunft“, so Anton Güntsch, Leiter des 2021 neu gegründeten Zentrums für Biodiversitätsinformatik und Sammlungsdatenintegration am Botanischen Garten Berlin.
Zukunft Biodiversitätsforschung: Digitalisierungsinitiative in der Botanik
Der Großteil der rund 23 Millionen Belege in deutschen Herbarien ist heute noch ein ungehobener Schatz – derzeit liegt die Digitalisierungsquote bei gerade einmal 13 Prozent. Gemeinsam haben sich die deutschen Herbarien vorgenommen, ihre Bestände vollständig zu digitalisieren.
Um die Potenziale in Zukunft voll auszuschöpfen, muss eine Forschungsinfrastruktur aufgebaut werden, die einen umfassenden und freien Zugang zu den Informationen in Herbarien und botanischen Sammlungen ermöglicht. Hierfür haben sich führende wissenschaftliche Institutionen bereits 2020 in einem gemeinsamen Statementpapier stark gemacht.
Auch der Botanische Garten Berlin hat sich das Ziel gesetzt, bis 2030 seine eigene Herbarsammlung komplett online zur Verfügung zu stellen. Als Vorreiter der Biodiversitätsinformatik bietet er heute bereits Datenservices, von denen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler weltweit profitieren. Für das virtuelle Herbarium www.herbarium.gbif.de haben die Biodiversitätsinformatiker und Biodiversitätsinformatikerinnen am Botanischen Garten Berlin in Kooperation mit der Global Biodiversity Information Facility (GBIF) das neue Datenportal aufgebaut. Als internationales Netzwerk hat sich GBIF zum Ziel gesetzt, wissenschaftliche Daten und Informationen zur weltweiten Artenvielfalt in digitaler Form über das Internet frei und dauerhaft verfügbar zu machen. Deutschland (GBIF-D) gehört zu den GBIF-Gründungsmitgliedern, der Botanische Garten Berlin koordiniert den Knotenpunkt in Deutschland.
Herbarien in Deutschland
Weltweit lagern bis zu 388 Millionen Belege in fast 3.100 Herbarien in 178 Ländern. Die drei Länder in Europa mit der höchsten Anzahl an Herbarbelegen sind Frankreich, Großbritannien und Deutschland mit 25,96, 22,31 bzw. 22,16 Millionen Exemplaren (Thiers 2019). Deutschland verfügt über 70 Herbarien, die nach dem Index Herbariorum 2018 akkreditiert sind, drei davon gehören zu den zwanzig größten Herbarien der Welt. Die für Deutschland gelisteten 22,16 Millionen Belege entsprechen 6 % der Belege weltweit und 12 % der in europäischen Herbarien gelagerten Belege. Deutsche Herbarien sind daher nicht nur auf nationaler Ebene eine wichtige Forschungsinfrastruktur, sondern auch von globaler Bedeutung. Die meisten Herbarien sind Teil einer Universität (34 Herbarien mit insgesamt 14,3 Millionen Exemplaren). Weitere gehören zu städtischen Museen (10) oder staatlichen Museen (8), mit insgesamt sechs Millionen Exemplaren. Sechs Herbarien mit insgesamt 2,5 Mio. Belegen gehören zu aus Bundesmitteln geförderten Einrichtungen wie Leibniz-Instituten und vier zu Nichtregierungsorganisationen mit insgesamt 0,06 Mio. Belegen.
(Freie Universität Berlin)
Übersicht zu den 22 Partnern von www.herbarium.gbif.de/de/partners