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Weniger ist mehr - Versuchstierschutz durch 3R?

Am 7. Oktober fand die VBIO Online-Veranstaltung des AK Tierversuche zur „3-R-Strategie“ statt. Die „3 R“ stehen für Reduction, Replacement und Refinement wissenschaftlicher Tierversuche. Im Mittelpunkt standen dabei Projektbeispiele aus der akademischen und industriellen Forschung, mit denen es gelungen ist, die 3R erfolgreich umzusetzen. In der anschließenden Diskussion ging es aber auch darum, wie effektiv einzelne Ansätze überhaupt sein können, die Vergleichbarkeit von Tierversuchen und deren Akzeptanz.

Was genau verbirgt sich hinter „3 R“? Die Begriffe Reduction, Replacement und Refinement im Rahmen wissenschaftlicher Tierversuche wurden den über 300 Teilnehmenden am Anfang der Veranstaltung unter der Moderation von Dr. Caroline Johner vom Max-Planck-Institut für Immunbiologie und Epigenetik in Freiburg, nähergebracht. Wie aber sieht die praktische Umsetzung aus? Dazu gab es drei Vorträge, die die Umsetzung der Strategien vorstellten.

Den Anfang machte Prof. Thomas Hartung von der Johns Hopkins Bloomberg School of Public Health in Baltimore, der zum Thema „Ersatz des Pyrogentests am Kaninchen: erfolgreiches Replacement eines vorgeschriebenen Tierversuches“ referierte. Ziel des vorgeschriebenen Tests ist der Nachweis der Pyrogenfreiheit von Medikamenten mit Hilfe einer Fieberreaktion, die auch als Onozytenaktivierungsreaktion durchgeführt werden kann und damit den ursprünglichen Kaninchen-Tierversuch vollständig ersetzt. Ursprünglich wurden hierfür bis zu 170.000 Kaninchen jährlich eingesetzt. Inzwischen wird das unter anderem von Prof. Hartung entwickelte Ersatzmodell international anerkannt und genutzt. Bis es so weit war, mussten jedoch langwierige Validierungsverfahren verschiedener vorgeschlagener Modelle (z.B. Vollblutmodell) erfolgen, bei denen die mit Kaninchen-basierten Testergebnissen als Referenz dienten. Bis zur vollständigen praktischen Integration dauerte es ca. 30 Jahre. Ein Zeitrahmen der zeigt, wie langwierig und schwer erreichbar die Einführung und Genehmigung eines Ersatzmodells eines Tierversuchs ist. 

Dr. Thomas Steger-Hartmann von der Bayer AG, Pharmaceuticals aus Berlin, ging in seinem Vortrag auf „Möglichkeiten zur Reduktion der Tierzahlen durch virtuelle Kontrollgruppen in Tierstudien“ ein. Bei Substanztestungen und Dosis-Wirkungs-Analysen pharmazeutischer Wirkstoffe müssen etliche gesetzlich vorgeschriebener Tests durchgeführt werden, bei denen in standardisierten Verfahren immer Kontrollgruppen (z.B. 10 männliche und 10 weibliche unbehandelte Ratten) als Referenz mitgeführt werden müssen. Aus diesen Kontrollgruppen wurde eine Datenbank erstellt, in der die wiederholt vergleichbaren Referenzwerte verschiedener Art (Gewicht, Blutwerte etc ) zusammengefasst wurden. Ziel ist es, eine international abrufbare ausreichend große virtuelle Kontrollgruppe für multiple Parameter zur Verfügung zu stellen. Das vermindert die Notwendigkeit für den Einsatz von „echten“ Tieren in Kontrollgruppen, spart Kosten und macht Ergebnisse vergleichbarer. Der Einsatz dieser Datenbank wird gegenwärtig validiert und muss noch international harmonisiert werden. 

Den Abschluss des letzten „Rs“ machte Dr. Bettina Kränzlin von der Medizinischen Fakultät Mannheim zum Thema: „Refinement bei Versuchstieren: wie effektiv ist das?“. Sie erläuterte, dass die Standards für Haltungsbedingungen von Versuchstieren in Europa grundsätzlich gesetzlich reguliert sind. Der Einsatz von Refinementmaßnahmen wird in jedem Tierversuchsantrag explizit abgefragt und muss bei Haltung und Methodik berücksichtigt werden. Möglichkeiten zur Umsetzung gibt es viele, einige Beispiele stellte sie vor, insbesondere Rahmen der Haltung/Pflege und Methodik. Sie umfassen Verbesserungen in der Haltung (z.B. größere Käfige, Verbesserung der Haltungsbedingungen), verbesserter Umgang mit Tieren im Sinne der Stressvermeidung (z.B. Umsetzen von Tieren mit Hilfe von Röhren) und Tiertraining zur Stressminderung. Aber auch alternative Applikationsmethoden von Medikamenten können einen Beitrag zum Refinement liefern, wenn dem Tier zum Beispiel ein Medikament nicht mit einer Magensonde, sondern mit Hilfe einer zuckerhaltigen Lösung zugeführt wird.

Unter der Moderation von Dr. Caroline Johner wurden anschließend viele verschiedene Themen angesprochen, die auf die vorgestellten Projektbeispiele eingingen. Unter anderem wurde deutlich, dass ein Ersatz international anerkannter und genehmigter Tierversuchsverfahren langwierig und oft auch die Akzeptanz schwer zu erreichen ist. Problematisiert wurde auch die Vergleichbarkeit von Versuchsergebnissen beim Einsatz von Refinementmaßnahmen, das Fehlen von Publikationen „negativer“ Daten, um nicht zielführende Experimente zu vermeiden und die Reproduzierbarkeit von Ergebnissen. Grundsätzlich wurde betont, dass in der industriellen Forschung die Akzeptanz alternativer Methodik größer wird, wenn alternative Methodik eine hohe Wirtschaftlichkeit und Reproduzierbarkeit besitzt.

Das Feedback zur Veranstaltung war durchweg positiv, besonders hervorgehoben von den Teilnehmenden wurden die ausführlichen Antworten zu den Fragen, die klare Visualisierung und nachvollziehbare Take-Home-Messages. Auch das Konzept, zu jedem der „3Rs“ etwas anhand aktueller Beispiele zu erfahren, sowie unterschiedliche Experten zu Wort kommen zu lassen, wurde lobend erwähnt. Ein herzliches Dankeschön geht somit an alle Referenten, die Moderation und alle Teilnehmer.

Thomas Korff AK Tierversuche/VBIO

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