Ein Pilz, der mehr bewirkt als gedacht
Aspergillus fumigatus ist fast überall zu finden – in Erde, Kompost oder in der Luft. Für gesunde Menschen ist er meist harmlos. Doch bei Patient*innen mit geschwächtem Immunsystem kann er eine schwere Lungeninfektion verursachen, die sogenannte invasive Aspergillose. Der Pilz kann möglicherweise den Sauerstoffgehalt in der Lunge so weit verändern, dass er für bestimmte Bakterien - wie Ligilactobacillus murinus, der typischerweise im Darm, in der Mundhöhle und in der Lunge von Mäusen vorkommt - ein geeigneteres Umfeld schafft, um besser zu überleben und zu gedeihen. Diese Wechselwirkung könnte möglicherweise den Krankheitsverlauf beeinflussen und in neuen Behandlungsstrategien resultieren.
Von der Lunge bis zum Darm – alles hängt zusammen
Dass Darm und Lunge in engem Austausch stehen, ist schon länger bekannt. Neue Daten eines Forschungsteams aus Jena vertiefen nun dieses Verständnis. Die Forschenden fanden Hinweise, dass sich nicht nur das Lungenmikrobiom, sondern auch das Darmmikrobiom und bestimmte Stoffwechselprodukte im Blut während der Infektion der Lunge mit Aspergillus fumigatus verändern. Diese sogenannte „Darm-Lungen-Achse“ könnte in Zukunft eine bedeutende Rolle in der Therapie spielen. Die Arbeit wurde im Exzellenzcluster Balance of the Microverse, von Wissenschaftler*innen des Leibniz-Instituts für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut (Leibniz-HKI) und der Friedrich-Schiller-Universität Jena durchgeführt und kürzlich im Journal Cell Reports veröffentlicht.
Methodik und Schlüsselbefunde
Das Forschungsteam nutzte ein Mausmodell für invasive Aspergillose. Um herauszufinden, wie sich die Infektion auf die Mikroben in Lunge und Darm auswirkt, haben die Forschenden die genetischen Marker der Mikroorganismen untersucht. Um die klinischen Bedingungen möglichst realistisch nachzubilden, wurden auch die Effekte einer Immunsuppression sowie einer antimykotischen Behandlung mit Voriconazol berücksichtigt. Das Team setzte spezialisierte Methoden ein, darunter DNA-Sequenzierung zur Identifizierung von Bakterien in Lunge und Darm sowie quantitative PCR zur Messung der Menge des Pilzerregers Aspergillus fumigatus und des dominanten Bakteriums Ligilactobacillus murinus in der Lunge. Darüber hinaus wurden metabolomische Analysen von Plasma und Lungengewebe durchgeführt. Diese Analysen erfassen und quantifizieren alle Stoffwechselprodukte in einem biologischen System, um Veränderungen im Stoffwechsel zu verstehen. Zudem isolierten die Forschenden lebende Bakterien aus den unteren Atemwegen der Mäuse und kultivierten sie gemeinsam mit Aspergillus fumigatus, um mögliche Wechselwirkungen zu untersuchen. Ein Schlüsselergebnis der Studie war, dass die Pilzinfektion sowohl das Lungen- als auch das Darmmikrobiom aus dem Gleichgewicht bringt. In der Lunge führt dies zu einer Anreicherung anaerober Bakterien. Besonders auffällig war das verstärkte Wachstum von Ligilactobacillus murinus, was darauf hindeutet, dass der Pilz eine mikroaerophile Nische (geringe Sauerstoffkonzentrationen) schafft, die dieses Bakterium begünstigt.
Grenzen der Studie – was (noch) nicht beantwortet ist
Die Analyse des Lungenmikrobioms ist eine Herausforderung, da die Menge der bakteriellen DNA in der Lunge sehr gering ist und von menschlicher DNA überlagert wird. „Obwohl wir zahlreiche Kontrollproben analysiert haben, könnten die Ergebnisse immer noch einige Fehlklassifizierungen enthalten, wenn es sich um Bakterien handelt, die in extrem geringen Mengen vorhanden sind“, sagt Liubov Nikitashina, Erstautorin der Studie. Die geringe DNA-Ausbeute beschränkte die bakterielle Identifizierung meist auf die Gattungsebene. Verbesserte Methoden für die bakterielle DNA-Extraktion aus solch schlecht besiedelten Körperstellen könnten künftige Studien noch aussagekräftiger machen.
Die Studie wirft wichtige Fragen für zukünftige Forschungen auf: Welche Rolle spielen anaerobe Bakterien wie Ligilactobacillus murinus bei der Modulation von Aspergillus fumigatus-Infektionen? Könnte die Anreicherung dieser Bakterien in der Lunge als diagnostischer Marker dienen oder sogar neue therapeutische Ansätze ermöglichen?
Ein kleiner Pilz mit großer Wirkung
Gerade für immungeschwächte oder bereits schwer erkrankte Menschen – etwa auf Intensivstationen oder mit Krebserkrankung – sind Pilzinfektionen ein ernstes Problem. Die neuen Erkenntnisse liefern wichtige Hinweise, wie sich solche Infektionen besser verstehen und möglicherweise verhindern lassen. Vielleicht lässt sich künftig gezielt das Mikrobiom beeinflussen, um den Körper im Kampf gegen den Pilz zu unterstützen – oder neue Medikamente entwickeln, die genau hier ansetzen.
Leibniz-HKI
Originalpublikation:
Nikitashina L, Chen X, Radosa L, Li K, Straßburger M, Seelbinder B, Böhnke W, Vielreicher S, Nietzsche S, Heinekamp T, Jacobsen ID, Panagiotou G, Brakhage AA (2025) The murine lung microbiome is disbalanced by the human-pathogenic fungus Aspergillus fumigatus resulting in enrichment of anaerobic bacteria, Cell Reports44, DOI: https://doi.org/10.1016/j.celrep.2025.115442