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Wenn Käfer Rot sehen

Ein Käfer der Art Pygopleurus chrysonothus auf einer Blüte der Pfauenanemone (Anemone pavonina) in Griechenland. Der Käfer kann, was andere Insekten nicht können: die Farbe Rot sehen. Quelle: Johannes Spaethe Copyright: Universität Würzburg

Kaum ein Insekt kann die Farbe Rot sehen. Doch zwei Käferarten aus dem Mittelmeergebiet machen eine Ausnahme, wie ein internationales Forschungsteam herausgefunden hat. 

Die Augen der Insekten sind in der Regel empfindlich für ultraviolettes, blaues und grünes Licht. Die Farbe Rot können sie – mit Ausnahme einiger Schmetterlinge – nicht sehen. Trotzdem fliegen Biene & Co. auch auf rote Blüten wie die des Klatschmohns. Angelockt werden sie in diesem Fall aber nicht von der roten Farbe, sondern weil sie das von der Mohnblüte reflektierte UV-Licht erkennen.

Doch zwei Käferarten aus dem östlichen Mittelmeergebiet können die Farbe Rot durchaus erkennen, wie ein internationales Forschungsteam nachgewiesen hat. Es handelt sich um die Glaphyridenkäfer Pygopleurus chrysonotus und Pygopleurus syriacus, für die keine deutschen Namen etabliert sind. Sie ernähren sich hauptsächlich von Pollen und besuchen am liebsten Pflanzen mit roten Blüten, etwa Mohn, Anemonen oder Hahnenfuß.

Käfer besitzen Lichtrezeptoren für langwelliges Rot
„Nach unserem Wissen sind wir die ersten, die experimentell gezeigt haben, dass Käfer die Farbe Rot tatsächlich wahrnehmen können“, sagt Dr. Johannes Spaethe vom Lehrstuhl für Zoologie II am Biozentrum der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg. Er hat die neuen Erkenntnisse gemeinsam mit Dr. Elena Bencúrová aus der Würzburger Bioinformatik sowie mit Forschenden der Universitäten Ljubljana (Slowenien) und Groningen (Niederlande) erarbeitet. Publiziert ist die Studie im Journal of Experimental Biology.

Das Forschungsteam setzte Elektrophysiologie, Verhaltensexperimente und Farbfallen ein. Dabei zeigte sich unter anderem, dass die beiden mediterranen Käferarten in ihrer Netzhaut vier Typen von Lichtrezeptoren besitzen: Sie sprechen auf UV-Licht an sowie auf Blau-, Grün- und langwelliges Rotlicht. Bei Experimenten im Freiland wurde zudem klar, dass die Tiere das Farbensehen zur Erkennung roter Ziele nutzen und dass sie eine klare Vorliebe für rote Farben haben.

Neues Modellsystem für ökologische und evolutionäre Fragen
Das Forschungsteam stuft die Familie der Glaphyridenkäfer als vielversprechendes neues Modellsystem ein, um die visuelle Ökologie von Käfern und die Evolution der Blütensignale und der Blütenerkennung durch Bestäuber zu untersuchen.

„Die vorherrschende Meinung in der Wissenschaft ist, dass sich die Blütenfarben im Lauf der Evolution an die visuellen Systeme der Bestäuber angepasst haben“, sagt Johannes Spaethe. Aufgrund der neuen Erkenntnisse könne man aber nun darüber spekulieren, ob dieses evolutionäre Szenario auch auf die Glaphyridenkäfer und die von ihnen besuchten Blüten zutrifft.

Warum die Forschenden das denken? Bei den drei Gattungen dieser Käferfamilie (Eulasia, Glaphyrus und Pygopleurus) gibt es beträchtliche Unterschiede bei den Vorlieben für die Blütenfarbe: Die Farbpräferenzen der Käfer variieren zwischen rot, violett, weiß und gelb. Das deute darauf hin, dass die physiologische und/oder verhaltensbedingte Grundlage für das Sehen von Rot und anderer Farben relativ labil ist.

Die große Vielfalt der Blütenfarben im Mittelmeerraum und die beträchtliche Variation bei der Farbpräferenz der Käfer machten es plausibel, dass sich die visuellen Systeme dieser Bestäuber stärker an die Blütenfarben anpassen als gemeinhin angenommen.

(Julius-Maximilians-Universität Würzburg)


Originalpublikation:
Gregor Belušič, Sander B. de Hoop, Elena Bencúrová, Domen Lazar, Johannes Spaethe, Casper J. van der Kooi: Remarkable red colour vision in two Mediterranean beetle pollinators. Journal of Experimental Biology, 9. Juni 2025, DOI: 10.1242/jeb.250181