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Auch in­ak­ti­ve Rau­cher dicht mit mi­kro­bi­el­len Ge­mein­schaf­ten be­sie­delt

Mit dem Tief­see­tauch­boot Al­vin wur­den für die Stu­die Pro­ben in der Tief­see ge­nom­men
Mit dem Tief­see­tauch­boot Al­vin wur­den für die Stu­die Pro­ben in der Tief­see ge­nom­men – von in­ak­ti­ven so­wie von ak­ti­ven Hydro­ther­mal­sys­te­men in meh­re­ren Tau­send Me­tern Was­ser­tie­fe. Foto: Woods Hole Ocea­no­gra­phic In­sti­tu­ti­on, Na­tio­nal Deep Sub­mer­gence Fa­ci­li­ty, Na­tio­nal Sci­ence Foun­da­ti­on

Alles ist überall – auch an vermeintlich lebensfeindlichen Orten könne sich unter gewissen Bedingungen mikrobielle Lebensgemeinschaften entwickeln und gedeihen. Das gilt auch für inaktive Schlote von Hydrothermalquellen am Ozeanboden. Ein internationales Team, an dem auch Forschende des MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen beteiligt sind, will jetzt genau beziffern, wie viel anorganischer Kohlenstoff so gebunden werden kann.

Druck, Dunkelheit und wenig Nährstoffe – die Tiefsee ist im Allgemeinen kein einladender Ort. Kommen aber Wärme und ein reicher Fluss an Mineralien hinzu – wie es an aktiven Hydrothermalquellen der Fall ist, siedeln dort zahlreiche Schalentiere, Fische und auch Mikroorganismen. Doch was passiert mit den Lebensgemeinschaften, wenn die heißen Fluide versiegen?

Die Schlote entstehen über einen langen Zeitraum, indem Meerwasser durch Spalten in die Erdkruste sickert, sich dort erwärmt und auf dem Weg zum Ozeanboden Mineralien löst und aufnimmt. Dieses heiße, mineralhaltige und oft dunkel gefärbte Wasser sucht sich den durchlässigsten Weg durch die Erdkruste, am Ozeanboden trifft es auf kaltes, sauerstoffhaltiges Wasser. Als Folge fällen Mineralien aus und lagern sich in Form von Schloten ab. Solche Hydrothermalquellen sind ein energiereicher Lebensraum, die Basis dafür ist die Chemosynthese.

Sobald der Fluss an mineralienhaltigen Fluiden versiegt, gelten die Raucher als inaktiv. Größere Organismen ziehen weiter zur nächsten Quelle, das gilt aber nicht für Kleinstlebewesen. „Auch vierzig Jahre nachdem die ersten Hydrothermalfelder entdeckt wurden, wissen wir noch sehr wenig“, sagt Dr. Florence Schubotz vom MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen. „Das gilt für die Menge an CO2, die in inaktiven Rauchern gebunden ist, ebenso wie das Ausmaß an mikrobiellem Leben, ihre Aktivität und Produktionsraten.“

Zu bestimmen, wie dicht inaktive Raucher besiedelt sind, steht im Zentrum eines Forschungsprojekts, an dem auch Schubotz beteiligt ist. Hierbei wurden Proben genau dort genommen, wo vor rund vier Jahrzehnten die ersten Hydrothermalquellen im Ostpazifik entdeckt wurden. „Erste Ergebnisse deuten darauf hin, dass auch inaktive Raucher wichtige Standorte für mikrobielle Aktivitäten und die Produktion von organischem Kohlenstoff am Meeresboden sind. Wir sind erst dabei zu verstehen, wie der Kohlenstoff-Kreislauf in der Tiefsee funktioniert. Sicher ist, dass solche Hotspots Kohlenstoff fixieren, aber, so Schubotz, „wir verstehen diese Ökosysteme noch viel zu wenig, um das Ausmaß abschätzen zu können“. Hinzu komme, dass weite Teile des Ozeanbodens noch nicht erforscht sind und es noch unbekannte Hydrothermalsysteme geben könnte.

Schlote von Hydrothermalquellen enthalten je nach Region Mineralien wie Kupfer, Zink, Gold oder Silber. Dadurch gibt es Begehrlichkeiten, inaktive Raucher im Rahmen von Tiefseebergbauaktivitäten einzusammeln und zu nutzen. Im Januar zum Beispiel hat das norwegische Parlament bereits den Weg freigemacht und billigt damit die Exploration von Bodenschätzen zwischen Norwegen und Grönland. „Das kommt einem Abholzen von Tiefseeregenwäldern gleich“, sagt Schubotz.

Potentiell ist jede Spreizungszone an Plattengrenzen ein mögliches Besiedelungsgebiet. Die Proben aus dem Ostpazifik seien darum eine gute Grundlage, da bereits bekannt war, dass dort diverse Mikrobengemeinschaften weit verbreitet sind. Dafür hat das internationale Team Proben von aktiven und inaktiven Rauchern untersucht und miteinander verglichen.

Die Proben hat das Team während drei Expeditionen in den Jahren 2019 und 2021 unter anderem mit Hilfe des bemannten Tiefseetauchboots Alvin am East Pacific Rise (9 Grad Nord ) gewonnen, einem ozeanischen Rücken, an einer Plattengrenze im Pazifik. Ihr Ziel ist es, das Ökosystem Tiefsee und das Zusammenspiel verschiedener Organismen besser zu verstehen und Stoffwechselraten erstmals zu beziffern. „Ohne solche Daten“, hieß es in der Veröffentlichung, „ist unser Verständnis von Elementarkreisläufen im Ökosystem der inaktiven Schlote und des möglichen Einflusses auf die Biochemie in der Tiefsee unvollständig.“ Solche Untersuchungen, betont das Team, seien unerlässlich, bevor über Tiefseebergbau entschieden würde.

Die Biogeochemie am Ozeanboden und das Zusammenspiel von marinen Ökosystemen mit der Umwelt ist auch eines der Kernthemen im Exzellenzcluster „Ozeanboden – unerforschte Schnittstelle der Erde“, der am MARUM angesiedelt ist.

MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften


Originalpublikation:

Amanda M. Achberger, Rose Jones, John Jamieson, Charles P. Holmes II, Florence Schubotz, Nicolette R. Meyer, Anne E. Dekas, Sarah Moriarty, Eoghan P. Reeves, Alex Manthey, Jonas Brünjes, Daniel J. Fornari, Margaret K. Tivey, Brandy M. Toner & Jason B. Sylvan: Inactive hydrothermal vent microbial communities are important contributors to deep ocean primary productivity. Nat Microbiol (2024). DOI: https://doi.org/10.1038/s41564-024-01599-9