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Was Seesterne uns über die Evolution von Knochen verraten

Das Bild zeigt das Skelett eines Seesterns
Das Bild zeigt das Skelett eines Seesterns (Asterias rubens) in einem mikro-Computertomographen. Das Skelett besteht aus tausenden von kleinen Knöchelchen. Copyright: Raman

Neue Erkenntnisse darüber, wie mechanische Belastung die Ultrastruktur des Seestern-Skeletts prägt, haben jetzt Forschende am Bionik-Innovations-Centrum der Hochschule Bremen (HSB) gewonnen. Die Ergebnisse wurden in der renommierten Fachzeitschrift Acta Biomaterialia veröffentlicht und liefern die erste detaillierte Analyse dazu, wie sich Seestern-Skelette unter unterschiedlichen Stressbedingungen anpassen. Damit eröffnen sie zugleich neue Perspektiven auf die evolutionären Prozesse, die zur Entwicklung und Anpassung von Skeletten führen. 

Seesterne sind vielen Menschen bekannt – nicht zuletzt aufgrund der Popkulturfigur Patrick Star aus SpongeBob Schwammkopf – doch ihre faszinierende innere Struktur bleibt meist unbeachtet. Da Seesterne in derselben evolutionären Linie wie Wirbeltiere stehen, eignen sie sich hervorragend als Modellorganismen, um die Entwicklung von Endoskeletten zu erforschen. Ihr Skelett besteht aus Tausenden knochenähnlichen Elementen, den sogenannten Ossikeln, die eine komplexe, poröse Struktur aufweisen. Diese ähnelt verblüffend stark den Knochen von Menschen und anderen Wirbeltieren.

Raman, Erstautor der Studie und Doktorand an der HSB: „Die meisten Menschen kennen die charakteristische Form von Seesternen, aber nur wenige machen sich Gedanken über die Komplexität ihres Skeletts. Unsere Forschung zeigt nicht nur neue Aspekte der Seestern-Biomechanik, sondern liefert auch grundlegende Einsichten in die Evolution von Skeletten.“

Methoden und zentrale Erkenntnisse

Mithilfe hochauflösender Röntgen-Mikrotomographie (MicroCT) und computergestützter Modellierungen analysierte das Team der Hochschule Bremen die 3D-Struktur und Spannungsverteilung in den Ossikeln. Dabei stellten sie fest, dass stark belastete Bereiche eine dichtere „Stereom“-Mikrostruktur ausbilden – ein Prinzip, das auch in menschlichen Knochen zu beobachten ist.

Gleichzeitig entdeckte die Studie einen entscheidenden Unterschied: Während Wirbeltierknochen ihre Mikrostruktur im Laufe der Zeit je nach Belastung aktiv umbauen, fehlt Seesternen sehr wahrscheinlich diese Fähigkeit. Dies legt nahe, dass die Koppelung von Belastung und Struktur zwar ein evolutionär gemeinsames Merkmal von Stachelhäutern und Wirbeltieren ist, die dynamische Umgestaltung jedoch eine Besonderheit von Wirbeltieren darstellt.

Bedeutung und Ausblick

„Die gewonnenen Erkenntnisse erweitern nicht nur das Verständnis über die Evolution von Skeletten, sondern liefern auch potenzielle Impulse für Anwendungen in der Biomedizin und dem Leichtbau“, sagt Prof. Dr. Jan Henning Dirks. „Indem sie zeigen, wie sich starre Strukturen trotz begrenzter Umbaufähigkeiten an äußere Belastungen anpassen, geben die Skelette von Seesternen wertvolle Anregungen für die Entwicklung neuer Werkstoffe oder Konstruktionsprinzipien.“

Strenge ethische Richtlinien

Die durchgeführte Studie entspricht uneingeschränkt dem deutschen und europäischen Tierschutzrecht. Im Sinne guter wissenschaftlicher Praxis wurden strenge ethische Richtlinien befolgt, um die Zahl der verwendeten Proben zu verringern und die Methoden so schonend wie möglich zu gestalten. Die Analysen erfolgten ausnahmslos an toten Seesternen, die im Rahmen wissenschaftlicher Expeditionen als Beifang anfielen.

Hochschule Bremen


Originalpublikation:

Raman, Susanna Labisch, Jan-Henning Dirks: The ultrastructure of the starfish skeleton is correlated with mechanical stress, Acta Biomaterialia, Volume 193, 2025, https://doi.org/10.1016/j.actbio.2024.12.032