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MINT Nachwuchsbarometer 2021: Zu viele Ausbildungsabbrüche im MINT-Bereich

Cover MINT Nachwuchsbarometer 2021

Das MINT Nachwuchsbarometer 2021 von acatech und Körber-Stiftung zeigt die Problemstellen im deutschen Bildungssystem auf. Darüber hinaus beleuchtet die Studie in diesem Jahr, welche Auswirkungen die Pandemie auf verschiedene Bildungsbereiche hat – gerade Schulen und Hochschulen haben in den vergangenen Monaten einen Digitalisierungsschub erlebt. Welche Herausforderungen und Potenziale damit verbunden sind, nimmt die Publikation genauer in den Blick.

Jedes fünfte MINT-Ausbildungsverhältnis in Deutschland wird abgebrochen. Dies geht aus dem neuen MINT Nachwuchsbarometer hervor, das jährlich die Situation der technisch-naturwissenschaftlichen Bildung in Deutschland untersucht. Zurückzuführen ist die hohe Abbruchquote teils auf eine fehlende Passung, teils auf eine fachliche Überforderung im Ausbildungsberuf. Zudem wurden im Jahr 2020 mit 160.000 Ausbildungsverträgen im MINT-Bereich rund 21.000 Ausbildungsverträge weniger abgeschlossen als im Vorjahr. Ein Viertel des Rückgangs ist laut Bundesagentur für Arbeit auf die Corona-Pandemie zurückzuführen.

Mathe: Ein Viertel der Grundschulkinder nicht kompetent genug

Eine weitere Erkenntnis des MINT Nachwuchsbarometers: Es gibt zu viele leistungsschwache MINT-Schülerinnen und Schüler in Deutschland. Die Kompetenzen der Grundschulkinder im Vergleich zur EU und OECD sind mittlerweile unterdurchschnittlich. Rund ein Viertel der Kinder erreicht nicht die für die weiterführende Schule erforderlichen mathematischen Kompetenzen. In den Naturwissenschaften – in der Grundschule im Sachkundeunterricht integriert – ist diese Gruppe seit 2015 sogar angewachsen.

„Wenn die MINT-Bildung im Lockdown ist, muss die digitale Bildung weiterentwickelt werden. Neben Lehrkräftebildung spielen dabei die Investition und Entwicklung von intelligenten Lernsystemen eine große Rolle, denn sogenannte ITS – Intelligente Tutorielle Systeme – können lernschwache Kinder stark unterstützen“, so Olaf Köller, Direktor des Leibniz-Instituts für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik (IPN) und Studienleiter des MINT Nachwuchsbarometers.

Stereotype Fächerwahl

Physik-Leistungskurse sind in Deutschland nach wie vor von Schülern dominiert: Nur jedes vierte Kursmitglied ist weiblich. Zudem wurden nur 11 Prozent der neu abgeschlossenen MINT-Ausbildungsverträge von jungen Frauen abgeschlossen, ein ingenieurwissenschaftliches Studium beginnen nur zu 25 Prozent Studentinnen.

Tatjana König, Vorständin der Körber-Stiftung, betont die Bedeutung guter MINT-Bildung für alle Schülerinnen und Schüler: „Die Schulschließungen aufgrund der Pandemie führen uns besonders schmerzhaft vor Augen, dass chancengerechte Bildung für alle Kinder und Jugendliche unabhängig von ihren kulturellen und sozialen Hintergründen sowie ihrem Geschlecht noch lange nicht erreicht ist.“

Dagegen bleibt die Zahl der MINT-Studienanfängerinnen und -anfänger weitestgehend stabil. Doch auch wenn sich Studienanfängerzahlen im Lehramtsstudium Informatik seit 2015 sogar fast verdoppelt haben, sind es mit 159 Studienabschlüssen im Jahr 2020 zu wenige, um angemessen auf die erhöhten Bedarfe zu reagieren.

Der neue acatech Präsident Jan Wörner stellt den Wert von MINT-Bildung heraus: „Die Herausforderungen der Gegenwart wie der Zukunft sind ohne MINT nicht zu lösen: Für Pandemie-Bekämpfung, Klimaschutz oder digitale Transformation braucht es technische und naturwissenschaftliche Bildung. MINT-Wissen macht die Welt aber ganz allgemein zu einem noch interessanteren Ort – diese Perspektive müssen wir den Menschen eröffnen.“

Weitere Informationen:

https://www.acatech.de/publikation/mint-nachwuchsbarometer-2021

acatech


Lesen Sie dazu auch den Kommentar vom Nationalen MINT Forum:

Die MINT-Kompetenzen von Grundschulkindern liegen unter dem EU-und OECD-Durchschnitt, lediglich 8% ihrer Lehrkräfte haben sich in der Anwendung  digitaler Unterrichtstools fortgebildet, unverändert wählen Kinder genderspezifisch ihre Schulfächer, jedes 5. MINT-Ausbildungsverhältnis wird abgebrochen – diese und weitere Ergebnisse aus dem heute vorgestellten MINT Nachwuchsbarometer 2021 bestätigen, dass MINT-Bildung entlang der gesamten Bildungskette dringend neue Impulse braucht. In seinem MINT Aktions­programm 2.0 definiert das Nationale MINT Forum 12 Handlungsfelder und nennt konkrete Lösungsvorschläge vor allem an die Adresse der Politik. Auf dem Nationalen MINT Gipfel am 8. Juni werden die Vorschläge mit Bundestagsabgeordneten diskutiert.

„Die Ergebnisse des MINT Nachwuchsbarometers 2021 lassen keinen anderen Schluss zu: Im Wahljahr 2021 müssen wir im politischen Raum deutlich machen, dass die Förderung der MINT-Bildung mit konkreten Vorschlägen in  einen Koalitionsvertrag für die nächste Legislaturperiode gehört“. Mit diesen Worten reagierte Edith Wolf, Co-Sprecherin des Nationalen MINT Forums auf die heute vorgestellten Ergebnisse des MINT Nachwuchsbarometer 2021. Bund, Länder und Kommunen sind jetzt gefragt, systematisch zu kooperieren und dabei Zivilgesellschaft sowie Wirtschaft einzubeziehen. Andererseits müsste auf Bundesebene eine ressortübergreifende Vernetzung vorangetrieben werden. „Die andauernde Nicht-Verantwortlichkeit der politischen Ebenen muss ein Ende haben“, sagte Wolf.

„Wichtige Lösungsansätze liegen beim Personal in Schulen. Dies war schon vor der Pandemie unübersehbar“, sagte NMF-Co-Sprecher Dr. Ekkehard Winter. Neben mehr Fort- und Weiter­bildung müssten neue Personalkategorien wie Educational Technologists geschaffen werden, damit Lehrkräfte sich wieder auf die Unterrichtsinhalte konzentrieren können. Weiterhin muss dem dramatischen MINT-Lehrkräftemangel mit attraktiveren Arbeitsbedingungen und neuen Anreizen für potenzielle Quer- und Seiteneinsteiger begegnet werden.

„Auch die berufliche Bildung ist zu stärken, indem deren Potenziale deutlicher sichtbar gemacht werden“, forderte Winter. Das beginnt damit, die Berufsorientierung fest in die schulische Ausbildung zu integrieren, setzt sich durch zusätzliche Anreize für stetige Fort- und Weiterbildungen während der Ausbildung fort und reicht bis hin zu einer offenen Gestaltung der Schnittstellen zwischen beruflicher und akademischer Bildung.

Mit dem MINT Aktionsprogramm 2.0 bietet das NMF einen umfangreichen Katalog an Impulsen für die Politik. Der Nationale MINT Gipfel dient als Plattform für den Dialog zwischen den MINT-Akteuren im NMF und den Mandatsträgern in den Parlamenten sowie den Entscheidungsträgern in Ministerien.

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