Die Studien-Ergebnisse bei der Behandlung von Patienten mit Beta-Thalassämie und Sichelzellerkrankung mittels der CRISPR/Cas9-Gentherapie geben Anlass zur Hoffnung. Welche konkreten Möglichkeiten bieten sich dadurch in der medizinischen Therapie und welche Vorteile bringt diese für Patienten?
Beta-Thalassämie und die Sichelzellkrankheit sind Erkrankungen, denen ein erblich bedingter Gendefekt zugrundeliegt, welcher die Hämoglobinbildung hemmt. Durch die CRISPR/Cas9-Gentherapie wurde erstmals gezeigt, dass Gen-Editierung, also die gezielte Veränderung des Genoms, nicht nur im Reagenzglas ‚funktioniert‘, sondern auch nachhaltig und längerfristig die Lebensqualität schwerkranker Menschen verbessern kann. Für Patienten, die an Beta-Thalassämie oder der Sichelzellerkrankung leiden, war die Hoffnung auf Heilung bislang stets mit einer Blutstammzelltransplantation verbunden. Findet sich jedoch kein Spender oder ist eine solche Transplantation aufgrund diverser Risikofaktoren nicht durchführbar, sind betroffene Thalassämie-Patienten auf regelmäßige Bluttransfusionen angewiesen, und Sichelzellpatienten leiden weiter an den schweren Schmerzkrisen und anderen Komplikationen dieser Erkrankung – mit all ihren potentiell lebensverkürzenden Nebenwirkungen. Bei beiden Krankheitsbildern soll und kann, soweit der bisherige Stand der Wissenschaftler, nun die CRISPR/Cas9-Therapie helfen, die erkrankten Blutzellen durch genetisch veränderte Blutzellen zu ersetzen. Diese Entwicklung ist ein riesiger und wichtiger Schritt in eine Richtung, die es Ärzten ermöglicht, jetzt über weitere Krankheiten nachzudenken, für die eine Heilung bis dato jenseits unserer Möglichkeiten lag.
Wo im Körper setzt das CRISPR/Cas9-Verfahren an? Was geschieht, um den Gendefekt zu beheben?
Blutstammzellen des Patienten werden entnommen. In einem speziellen Gentherapielabor werden die Stammzellen mit dem CRISPR/Cas9-Verfahren so verändert, dass die Blockade der fötalen Hämoglobinbildung, die natürlicherweise nach der Geburt einsetzt, wieder aufgehoben wird. Danach werden die Zellen, wie bei einer regulären Stammzelltransplantation, dem Patienten wieder infundiert. Funktioniert das wie in den bisherigen Studienergebnissen, hat das zur Folge, dass sich die Patienten keiner Bluttransfusion und dementsprechend auch keiner Blutstammzelltransplantation mehr unterziehen müssen.
Das CRISPR/Cas9-Verfahren bringt erhebliche Verbesserungen in der Therapie von Patienten mit Beta-Thalassämien und Sichelzellkrankheit mit sich. Existieren bereits weitere Forschungsansätze, um auch andere genetisch bedingte Erkrankungen zu behandeln?
Das CRISPR/Cas9-Verfahren ist mittlerweile das am weitesten verbreitete Verfahren, mit dem versucht wird, Therapieansätze für eine ganze Reihe genetischer Defekte zu finden. Auch in der Pflanzenbiologie kommt das Verfahren bereits sehr breitflächig zum Einsatz, weil es sicherer, schneller und kostengünstiger ist als alle anderen bis dato bekannten Verfahren.
Welche Bedeutung hat eine Veröffentlichung der aktuellen Studienergebnisse im hochangesehenen New England Journal of Medicine und lassen sich daraus weitere Vorteile generieren?
Eine Veröffentlichung der aktuellen Studienergebnisse in der weltweit renommierten medizinischen Fachzeitschrift zeigt, wie wichtig und bahnbrechend die Erkenntnis ist, dass dieses vielversprechende Verfahren erfolgreich beim Menschen eingesetzt werden kann. Die Erwartungen an das CRISPR/Cas9-Verfahren sind sehr hoch, denn weit mehr als 40 klinische Studien rekrutieren Patienten mit den unterschiedlichsten Erkrankungen von der Hornhautentzündung bis zum Nierenzellkarzinom.
UKR
Originalpublikation:
Haydar Frangoul et al.: CRISPR-Cas9 Gene Editing for Sickle Cell Disease and β-Thalassemia, New England Journal of Medicine 2020,DOI: 10.1056/NEJMoa2031054