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Pflanzenpilz richtet Immunabwehr von Gerste gegen die Pflanze selbst

Forschende aus den USA und Deutschland haben ein Peptid entdeckt, das Gerste in der wichtigsten Anbauregion der USA anfälliger der die Blattfleckenkrankheit macht. Der Erregerpilz aktiviert mit dem Peptid einen Immunrezeptor der Pflanze. Die betroffenen Zellen sterben daraufhin ab. Bei der Züchtung neuer, gegen Krankheiten resistenter Gerstesorten sind mit der Zeit immer mehr Immunrezeptor-Genen hinzugekommen. Der Erreger der Fleckenkrankheit macht sich dies offenbar zunutze und richtet die Pflanzenabwehr gegen diese selbst. Bei der Züchtung auf Resistenz gegen eine bestimmte Art von Krankheit muss also darauf geachtet werden, dass die Pflanzen nicht versehentlich anfälliger für andere Erreger werden.

Gerstenblätter

Beide Gerstenblätter sind mit dem Pilz, der die Fleckenkrankheit verursacht, beimpft worden. Das obere ist empfindlich, während das untere resistent ist. © Shaobin Zhong

Gerste ist eine der wichtigsten Getreidekulturen der Welt. Weltweit werden jährlich 155 Millionen Tonnen produziert, von denen ein Großteil als Tierfutter verwendet wird. Wie bei anderen Nutzpflanzen ist auch Gerste das Ziel pathogener Mikroorganismen, die erhebliche Ernteverluste verursachen können.

Eine der verheerendsten dieser Krankheiten ist die sogenannte Blattfleckenkrankheit, die durch einen nekrotrophen Pilz verursacht wird, der infizierte Pflanzenzellen abtötet. Sie ist durch dunkle, schokoladenfarbene Flecken gekennzeichnet, die zum Austrocknen der Blätter führen. In den 1990er Jahren erreichte ein verheerender neuer Stamm der Blattfleckenkrankheit das Hauptanbaugebiet für Gerste in den USA in North Dakota. Erstaunlicherweise waren einige Gerstenpflanzen sehr anfällig für den neuen Stamm, andere hingegen nicht.

Mutationen machen anfällig

Um das Gen oder die Gene zu bestimmen, die für die Anfälligkeit verantwortlich sind, nutzte das Team von Shaobin Zhong von der North Dakota State University in Fargo eine Substanz, die zufällige Mutationen in Genen von Gerstensamen verursacht. Die Untersuchung der Pflanzen, die keine Anfälligkeit mehr für die Blattfleckenkrankheit zeigten, ergab, dass sie alle Mutationen in einem Gen namens Scs6 gemeinsam hatten. Wurde Scs6 auf resistente Gerstenlinien übertragen, wurden diese hoch anfällig. So konnte 30 Jahre, nachdem der neue Blattfleckenkrankheitsstamm erstmals in North Dakota verheerende Schäden angerichtet hatte, das Gen, das einige Gerstenpflanzen so anfällig macht, endlich identifiziert werden.

Ein Rätsel jedoch blieb bestehen: Als die Sequenz von Scs6 entschlüsselt wurde, stellte sich heraus, dass sie zur MLA-Familie der Immunrezeptoren gehört, die bekanntermaßen Immunität gegen biotrophe Pathogene bieten, d. h. gegen solche, die lebende Pflanzenwirte benötigen. Zhongs Gruppe schloss sich daraufhin mit der Abteilung von Paul Schulze-Lefert am Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung in Köln zusammen. Diese verfügt über langjährige Erfahrung in der Erforschung von Immunrezeptoren. Der Doktorand Florian Kümmel führte die Experimente durch, um zu untersuchen, warum ein Immunrezeptor paradoxerweise dazu beitrug, dass Pflanzen anfälliger für Infektionen mit dem Blattfleckenkrankheitserreger wurden.

Peptid führt zum Zelltod

Zhongs Gruppe hatte zuvor herausgefunden, dass ein atypischer Molekültyp, ein sogenanntes nicht-ribosomales Peptid, für die Virulenz des Gerstenfleckenkrankheit verantwortlich ist. Die Forschenden vermuteten, dass der Erreger mit diesem ungewöhnlichen Molekül den Scs6-Immunrezeptor anspricht und aktiviert, der dann eine Zelltodreaktion auslöst, um biotrophe Eindringlinge abzuwehren. Wenn die Flüssigkeit von ausgewaschenen infizierten Gerstenblättern in gesunde Gerstenblätter injiziert wurden, die das Scs6-Gen trugen, führte dies zu einer Zelltodreaktion. Bemerkenswert ist, dass Kümmel auch bei einem Experiment mit Blättern einer anderen Pflanzenart, die ausschließlich zur Expression von Scs6, jedoch ohne andere Gerstenproteine, angeregt wurde, ebenfalls Zelltod beobachtete. Der durch Scs6 ausgelöste Zelltod scheint also auf eine direkte Interaktion zwischen Scs6 und dem nicht-ribosomalen Peptid zurückzuführen zu sein.

Die Domestizierung und Züchtung von Gerste auf Resistenz hat zur Zunahme vieler Immunrezeptor-Gene wie Scs6 in kommerziell angebauten Elite-Gerstensorten geführt. Könnte dies ein zweischneidiges Schwert sein? Wie der Co-Erstautor Kümmel betont: „Die Evolution hat anscheinend dazu geführt, dass einige Krankheitserreger die Immunrezeptoren ihrer Wirte kapern und die Waffen der Pflanzen gegen sich selbst richten, um sie anfälliger für Krankheiten zu machen. Bei der Züchtung auf Resistenz gegen eine bestimmte Art von Krankheit müssen wir sicherstellen, dass wir unsere Nutzpflanzen nicht versehentlich anfälliger für andere Krankheitserreger machen.“

Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung


Originalpublikation:

Leng, Y., Kümmel, F., Zhao, M., Molnár, I., Doležel, J., Logemann, E., Köchner, P., Xi, P., Yang, S., Moscou, M.J., Fiedler, J.D., Du, Y., Steuernagel, B., Meinhardt, S., Steffenson, B.J., Schulze-Lefert, P. and Zhong, S. (2024), A barley MLA immune receptor is activated by a fungal nonribosomal peptide effector for disease susceptibility. New Phytol. https://doi.org/10.1111/nph.20289

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