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Größte Blüte in Bernstein

Größte Blüte in Bernstein
Größte Blüte in Bernstein (c) Carola Radke, MfN Berlin

Forscherinnen vom Museum für Naturkunde Berlin und der Universität in Wien haben eine Seltenheit erforscht– den Einschluss einer fast 3 cm großen Blüte, die vor ca. 38-34 Millionen Jahren samt ihren Pollen in Harz eingeschlossen und konserviert wurde. Sie ist in etwa dreimal größer als die meisten Blüteneinschlüsse und somit die größte Blüte, die jemals in Bernstein entdeckt wurde. Die neuen Erkenntnisse helfen, die Pflanzenwelt des Baltischen Bernsteinwaldes weiter zu entschlüsseln, Rückschlüsse auf das Klima vergangener Zeiten zu werfen und den Wandel der Wälder nachzuvollziehen.

Bernstein ist wie eine Zeitkapsel – er erhält Einschlüsse von Pflanzen und Tieren über Jahrmillionen in unglaublicher Detailgenauigkeit. Pflanzeneinschlüsse in Bernstein sind selten, aber für die Forschung sehr wertvoll. Sie erlauben es, die Vegetation in verschiedenen Phasen der Erdgeschichte zu rekonstruieren und Rückschlüsse auf die Flora der sogenannten Bernsteinwäldern zu ziehen. Eine der größten Lagerstätten weltweit liegt in Kaliningrad an der Ostsee, wo Baltischer Bernstein gefördert wird. Von hier stammt auch ein ganz besonderer Blüteneinschluss, der vor etwa 150 Jahren das erste Mal entdeckt und als eine Scheinkamelie (Stewartia, Teestrauchgewächse) beschrieben wurde. Doch in den Jahren danach kamen Zweifel daran auf.

Dr. Eva-Maria Sadowski vom Museum für Naturkunde Berlin und Dr. Christa-Charlotte Hofmann von der Universität Wien haben dieses Fossil aus der Sammlung der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR, Berlin) erstmalig neu untersucht. Blüteneinschlüsse sind normalerweise nur wenige Millimeter klein und selten größer als 10 mm. Die Gründe hierfür sind noch nie untersucht worden, aber vermutlich spielt die Oberflächenspannung und Viskosität des Harzes eine Rolle. Größere Pflanzenteile sind schwerer und bleiben vermutlich weniger leicht haften. Zudem entdeckten die Forscherinnen zahlreiche Pollenkörner, die aus den Staubgefäßen der eingeschlossenen Blüte entwichen waren. „Eine so große Blüte im Bernstein zu finden, die darüber hinaus genau zum Zeitpunkt der Einbettung ins Harz ihren Pollen entlässt, ist daher sehr außergewöhnlich,“ so Eva-Maria Sadowski. Die Pollen wurden für eine Untersuchung am Rasterelektronenmikroskop mit einem Skalpell herausgekratzt. „Nur unter extrem hoher Vergrößerung lassen sich morphologische Details auf den nur mikrometergroßen Pollenkörnern erkennen,“ ergänzt Christa Hofmann.

Anhand des Pollens sowie einiger Blütenmerkmale konnten die Forscherinnen das Fossil dem asiatischen Vertreter der Gattung Symplocos aus der Familie der Symplocaceae zuordnen. Diese Familie ist im englischen Sprachraum auch als „sweetleaf“ bekannt und umfassen Sträucher und kleine Bäume. Es ist der erste Fund dieser Pflanzengattung aus Baltischen Bernstein - doch Symplocos stand damals nicht allein im Baltischen Bernsteinwald. Dieser beherbergte vor ca. 34-38 Millionen Jahren zahlreiche weitere Pflanzen, deren Nachfahren es heute nur noch in Ost- bzw. Südostasien gibt. Damals war es in Europa noch wärmer und regenreicher als heute, sodass sich viele Vertreter der Buchengewächse (z.B. Scheinkastanien, Castanopsis) und Koniferen (wie die Sicheltanne Cryptomeria) heimisch fühlen konnten. Gemeinsam formten sie ein vielfältiges Ökosystem, das aus Küstensümpfen, Mooren und gemischten Wäldern bestand. „Unsere neuen Erkenntnisse über diesen einmalig schönen Blüteneinschluss sind ein zusätzliches Puzzleteil, das uns hilft, die Pflanzenwelt des Baltischen Bernsteinwaldes weiter zu entschlüsseln und damit Rückschlüsse auf das Klima vergangener Zeiten zu werfen“, so Eva-Maria Sadowski. „Nur mit solchen Erkenntnissen können wir tiefere Einblicke in die Wälder der Erdgeschichte erlangen und ihren Wandel in der Zeit nachvollziehen. “

Museum für Naturkunde - Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung


Originalpublikation:

Sadowski, E-M, Hofmann, C-C. 2022. The largest amber-preserved flower revisited. Scientific Reports, DOI 10.1038/s41598-022-24549-z. https://www.nature.com/articles/s41598-022-24549-z