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Unter dem Titel "Bioverteidigung in der Ära der Synthetischen Biologie" (verfügbar unter https://www.nap.edu/catalog/24890/biodefense-in-the-age-of-synthetic-biology) haben die drei nationalen Akademien für Wissenschaft, Ingenieurwesen und Medizin der USA einen gemeinsamen Bericht veröffentlicht. Dieser evaluiert das Bedrohungspotenzial, das in Zukunft von der Synthetischen Biologie im Zusammenhang mit anderen Technologien ausgehen kann. Er kommt zu dem Ergebnis, dass die Gefahr nicht akut ist, aber dennoch Vorsicht geboten sei.

 

Fabian Rohden von der GASB (German Association of Synthetic Biology) hat ihn sorgfältig durchgesehen, zusammengefasst und bewertet.


Der Report liefert eine umfassende Bewertung der Nutzung von Biowaffen, die in der Zukunft durch Missbrauch der Synthetischen Biologie hergestellt werden könnten. Die Bedrohungen wurden in drei grundlegende Bereiche unterteilt.

Der erste Bereich umfasst die Pathogene. Unter diesem Begriff versteht man Bakterien, Pilze und Viren, die Krankheiten im Mensch hervorrufen können. Gefährliche Pathogene, wie z.B. das Pestbakterium oder das Ebolavirus könnten in Laboren synthetisch hergestellt werden. Zusätzlich könnten Pathogene gefährlicher gemacht werden, indem ihnen z.B. zusätzliche Resistenzen eingebaut werden oder ihr Stoffwechsel optimiert wird. Kombiniert man diese beiden Vorgehensweisen, so könnten in der Zukunft auch komplett neue Pathogene designt und konstruiert werden. Das wäre sogar noch schwieriger zu bewerkstelligen und das Resultat wäre wohl an sich weniger gefährlich als viele, bereits existierende Pathogene. Allerdings müssten für diese Pathogene erst neue Detektions- und Behandlungsmethoden entwickelt und getestet werden. Und kein Krankheitsausbruch ist so gefährlich wie der, der auf ein unvorbereitetes Gesundheitssystem trifft.

Der zweite Bereich ist die Produktion toxischer Stoffe durch Mikroorganismen. Giftige Stoffe, wie Botulinumtoxin oder Aflatoxine, werden von  Bakterien und Pilzen natürlich hergestellt. Synthetische Organismen könnten solche Toxine einfacher bzw. besser produzieren. Daneben könnten Organismen auch gefährliche Chemikalien produzieren, die normalerweise nicht in Organismen produziert werden. In beiden Fällen wären die entstehenden Produkte wohlbekannt. Jedoch könnten ihre Produktion durch die Synthetische Biologie einfacher und eventuell kostengünstiger gemacht werden. Daneben könnte die neue, biologische Produktion von Chemiewaffen bestehende Gesetze und Überwachungen von Chemiewaffen umgehen.

Der letzte Bereich befasst sich mit der Erzeugung dauerhafter Veränderungen im Menschen. Unter dieser obskuren Bezeichnung vereinigen sich zwei Subkategorien. Erstens kann das menschliche Genom durch Eingriffe verändert werden. Dies wird in der sogenannten Gentherapie angewendet, um Erbkrankheiten zu heilen. Diese Methode könnte man pervertieren, um so Erbkrankheiten oder andere Defizite in gesunden Menschen einzubringen. Zweitens können sich synthetische Bakterien die Mikrobenpopulationen des Menschen schädigen. An vielen Stellen des menschlichen Körpers siedeln Mikroorganismen und erfüllen wichtige Funktionen. Die wichtigste ist die Darmflora, welche für die Verdauung essentiell ist. Synthetische Mikroorganismen könnten so beschaffen sein, dass sie sich über die Essensaufnahme  im Darm ansiedeln und dort andere Mikroorganismen verdrängen. Dies alleine könnte bereits zu Verdauungs- und anderen Problemen führen. Zusätzlich könnten diese Bakterien dann noch Schadstoffe produzieren, welche über den Darm direkt ins Blut aufgenommen werden würden.

 

Wie hoch ist die Gefahr?
Die getätigte Aufzählung aller möglichen, dystopischen Szenarien ist kein Grund zur Massenhysterie. Auch unterlässt es der Bericht synthetische Biowaffen mit herkömmlichen Biowaffen zu vergleichen. Die synthetische Konstruktion eines Ebolavirus dürfte deutlich aufwendiger und komplizierter sein, als dieses Virus aus seinen Verbreitungsgebieten in Afrika zu isolieren und zu vermehren. Aber solche Vergleiche waren nicht Ziel des Berichtes. Vielmehr zeigen seine Evaluationen worauf in Zukunft besonders geachtet werden sollte.

In allen Fällen sind die Anforderungen an böswillige Akteure extrem hoch. Diese Akteure würden profundes und vielfältiges Fachwissen benötigen. Nicht nur aus der synthetischen und der Molekularen Biologie, sondern auch aus Medizin, Bioinformatik und weiteren Fachgebieten. Man benötigt also eine ganze Gruppe unterschiedlichster Wissenschaftler und Experten.  Die Synthetische Biologie kann zwar in der Theorie Organismen und genetische Schaltkreise am Reißbrett designen, allerdings müssen diese in der Realität aufwendig getestet werden. Dafür benötigt man professionell eingerichtete Labore mit teurem Equipment. Ein Garagenlabor erfüllt diese Anforderungen nicht. Selbst unter Erfüllung all dieser Bedingungen benötigen die Experimente auch im günstigsgen Fall viele Wochen extensiver Laborarbeit, was sich nach außen schwer verbergen lässt.

Da der Bericht für das US-Militär gedacht ist, wird leider nicht zwischen staatlichen und terroristischen Akteuren unterschieden. Kleine Terrorgruppen und Hobbybiologen werden auch auf absehbare Zeit nicht die Kapazitäten für derartige Projekte haben. Das Gefahrenpotenzial geht also von staatlichen Akteuren und großen, internationalen Terrorgruppen aus. Diese Terrorgruppen sind aktuell der Islamische Staat und Al-Quaida, welche in ihrer Handlungsfähigkeit und Finanzierung von den USA so stark beschnitten wurden, dass diese momentan nicht. in der Lage sein dürften, an synthetischen Waffen zu arbeiten. Staatliche Akteure lassen sich nur über internationale Verträge und internationalen Druck von der Herstellung von Biowaffen abhalten. Die Entwicklung biologischer Waffen ist durch die Biowaffenkonvention von 1971 verboten, welche von allen diesbezüglich relevanten Staaten der Welt unterzeichnet wurde. Allerdings hatte die Sowjetunion trotzdem ein Biowaffenprogramm, dessen bedrohliches Ausmaß erst nach 1990 bekannt wurde. Daher muss hier wie bei Atom- und Chemiewaffen muss strenge Kontrolle durch die Vereinten Nationen von allen Staaten erlaubt und unterstützt werden.

 

Konvergierende Technologien
Im Bericht wird die Formel "Ära der Synthetischen Biologie" als Oberbegriff verwendet, um eine ganze Reihe an aktuellen Entwicklungen zu beschreiben. Die Synthetische Biologie umfasst nicht nur neue Methoden der Genomeditierung, sondern auch die Bioinformatik und die ingenieursmäßige Standardisierung von biologischen Prozessen. Hinzu kommen mehrere konvergierende Technologien. Als konvergierend bezeichnet man Technologien, die aus verschiedenen Fachbereichen kommen, aber mehr und mehr "zusammenwachsen". Nanotechnologie, Mikrofluidik und 3D-Druck können genutzt werden, um Anwendungen in der Biologie und der Medizin effizienter zu gestalten bzw. ganz neue Anwendungen zu ermöglichen. Zum Beispiel sollen Organe mittels 3D-Druck aus einzelnen Zellen erstellt werden und Nanomaschinen sollen im Körper Krankheitserreger bekämpfen.

Diese Entwicklungen bedeutet allerdings gleichzeitig, dass ein Biowissenschaftler allein in Zukunft nicht mehr in der Lage sein wird, das Gefahrenpotenzial seiner Forschung abzuschätzen. Ein an sich harmloses Forschungsergebnis könnte in Kombination mit konvergierender Technologie Gefahrenpotenzial entwickeln. Der Bericht der US-Akademien hat Schlüsseltechnologien identifiziert, deren künftige Entwicklung ebenfalls beobachtet werden muss. Nur so lassen sich auch in Zukunft Gefahrenpotenziale vollständig einschätzen.      

 

Was bringt die Zukunft?
Wird es in Zukunft  neue Gefahrenpotenziale geben? Die schlechte Nachricht ist: Ja, das wird der Fall sein! Die gute Nachricht ist: Das war schon immer der Fall! Im 17. Jahrhundert musste sich niemand davor fürchten, dass er im eigenen Haus einen Stromschlag bekommt, sein Bankkonto von einem Hacker auf der anderen Seite des Planeten leer geräumt wird oder sein Privatleben vollumfassend observiert wird. Trotzdem überwiegen die Vorteile, die für die Menschheit aus der Verfügbarkeit von Strom, Internet und Co resultieren.

Das größte Gefahrenpotenzial künftiger Biowaffen, egal ob synthetisch oder herkömmlich, geht nach dem Bericht von der medizinischen Forschung an sich aus. Je mehr man über die Funktionsweise des menschlichen Körpers und von Krankheitserregern weiß, umso mehr kann man mit diesem Wissen dem Menschen schaden. Paradoxerweise bietet die Forschung und das Wissen gleichzeitig auch die einzige Möglichkeit, für solche Angriffe gewappnet zu sein. Im Prinzip verhält wie mit der Informationstechnologie. Wenn Computerprogramme und das Internet besser und komplexer werden, dann ergeben sich daraus auch neue Möglichkeiten für Hackerangriffe. Den besten Schutz bietet eine Firewall, die durch ein Update ebenfalls besser geworden ist. Der Bericht der der nationalen Akademien ist so ein Update.

Autor: Fabian Rohden