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Haftfähigkeit von Staphylococcus-aureus-Zellen ist ungleichmäßig über die Zellhülle verteilt

Haftfähigkeit von Staphylococcus-aureus-Zellen
Modell zur Bestimmung der Haftkraft eines Bakteriums: Die gewellte Oberfläche erlaubt es, den unteren Teil des Bakteriums zu charakterisieren. Die Ergebnisse zeigen, dass auf der Bakterien-Oberfläche wenige Bereiche mit hoher Haftkraft existieren. Karin Jacobs

Staphylococcus aureus, ein gefürchteter Krankenhauskeim, kann schwerwiegende Infektionen verursachen. Eine bemerkenswerte Eigenschaft dieses Bakteriums ist seine außergewöhnliche Haftfähigkeit. Ein Team aus der Physik und der Medizin der Universität des Saarlandes konnte nun herausfinden, dass der Keim an manchen Stellen der Hülle besser haftet als an anderen. Ihre nun veröffentlichte Studie könnte Ausgangspunkt für wirkungsvollere bakterienabweisende Oberflächen sein.

Bakterielle Infektionen, die häufig auf Staphylococcus aureus zurückgehen, haben erhebliche Auswirkungen auf die Gesundheit, jährlich sterben zehntausende Menschen weltweit an diesem so genannten „Krankenhauskeim“. Möchte man dagegen etwas unternehmen, hilft neben der Entwicklung neuer Antibiotika, gegen die es noch keine Resistenzen gibt, insbesondere das Verständnis darüber, wie diese Keime an Oberflächen haften, über die sie in den menschlichen Körper eindringen können. Das betrifft zum Beispiel Katheter oder Implantate, die mit dem Keim besetzt sein können.

Ein Team um Professorin Karin Jacobs hat einen innovativen Ansatz entwickelt, um die Geheimnisse der Bakterienhaftung zu entschlüsseln. Mithilfe einer Technik namens „Einzelzellkraftspektroskopie“ wird ein einzelnes, lebendes Bakterium an einen kleinen, federnden „Finger“ angebracht. Dieser „Finger“ wird mitsamt dem Bakterium auf eine Unterlage gedrückt. Anschließend wird die Kraft bestimmt, die zum Ablösen des Bakteriums von der Unterlage aufgewendet werden muss. Diese liegt im Bereich weniger Nanonewton, also einem Milliardstel der Gewichtskraft einer Tafel Schokolade.

In früheren Studien konnte das Team zeigen, dass die Kontaktfläche zwischen Bakterium und Unterlage einen Durchmesser von 150-300 Nanometer aufweist, also etwa ein Drittel bis ein Sechstel des Durchmessers der S. aureus-Zelle, und nur über diesen Bereich konnten Aussagen über die Haftkraft getroffen werden. Nun hat das Team jedoch eine gewellte Oberfläche verwendet (siehe Bild), um sogenannte Kraft-Distanz-Kurven quer über die Oberflächenstrukturen aufzunehmen und konnte so die Stärke der Haftkraft auf beinahe der gesamten Unterseite „kartieren“. Diese Oberfläche wurde von Kooperationspartnern der TU Dresden zur Verfügung gestellt.

Das Ergebnis ist bemerkenswert: Die Haftkraft variiert erheblich von Zelle zu Zelle, weil sie über die Bakterienoberfläche nicht gleichmäßig verteilt ist und die Bakterien sich nicht entlang der Oberfläche bewegen können, weil sie am „Finger“ festgehalten werden.

Um die Natur dieser Bereiche genauer zu verstehen, entwickelte Dr. Michael Klatt verschiedene geometrische Modelle der Bakterienoberfläche und testete, welches am besten zu den Ergebnissen der experimentellen Kraft-Distanzkurven passt, die die Kraft widerspiegeln, die aufgebracht werden muss, um das Bakterium wieder von der Oberfläche abzulösen. Am passendsten erwies sich ein Modell, das drei bis sechs sogenannte Haftzentren von einem Durchmesser von jeweils etwa 250 Nanometern aufwies und diese Zentren so weit wie möglich über die Zelloberfläche verteilt waren.

Die Experimente zeigten zudem, dass - auch ohne spezielle Haftzentren - die Stärke der Haftkraft der Bakterien in den „Tälern“ der Strukturen etwa doppelt so stark ist wie in der Umgebung. Es ist dabei bemerkenswert, wie schnell die Haftkraft abnimmt, wenn man sich aus dem Tal herausbewegt. Deshalb wurden von Dr. Erik Maikranz Computersimulationen („Monte-Carlo-Simulationen“) durchgeführt. Hierdurch gelang es zu zeigen, dass die Kraft, die man fürs Ablösen aufwenden muss, nicht nur von der Kontaktfläche zwischen Bakterium und Oberfläche abhängig ist, sondern auch stark vom Winkel beeinflusst wird, mit dem die vom Bakterium aufgebrachte Kraft dem Ablösen entgegenwirkt. Je nachdem, wo das Bakterium auf der wellenförmigen Oberfläche sitzt, ist dieser Winkel unterschiedlich. Sitzt es auf der Spitze einer Welle, ist die Auflagefläche klein, aber die Oberfläche gerade. Deshalb ist die Kraft, die man aufbringen muss, um das Bakterium von der Oberfläche zu lösen, in der Regel klein, es sei denn, die Spitze trifft das Haftzentrum des Bakteriums. Sitzt S. aureus an einer Seite der Welle, ist die Auflagefläche schon größer, der Winkel allerdings auch, so dass der Kraftaufwand immer noch niedrig ist. Deutlich am größten ist der Kraftaufwand jedoch, wenn das Bakterium im „Wellental“ sitzt, also in der Mulde eine große Auflagefläche hat und der Winkel der Kraft, die es nach oben ziehen möchte, wieder kleiner ist.

Die Ergebnisse dieser Studie geben eine Antwort darauf, warum die Haftkraft einzelner Bakterien einer Spezies zum selben Material sehr unterschiedlich ausfallen kann. Mit der vorgestellten neuen Methode ist es nun möglich, nicht nur einen typischen Wert der Haftkraft anzugeben, sondern auch anzugeben, wie stark die Haftkraft über die Bakterienzelloberfläche variiert und wie eine strukturierte Oberfläche die Haftkraft beeinflusst. Noch offen ist die Frage, wie die lokal verstärkte Haftkraft in den Haftzentren auf der Molekülebene genau entsteht. Eventuell liegt es an einer Gruppierung sogenannter Adhäsine, Bestandteile auf der Zelloberfläche, die besonders gut haften. Dies birgt für S. aureus den Vorteil, mit einem vergleichsweise niedrigen Biosyntheseaufwand eine sehr haftstarke Oberfläche zu schaffen. Kommt ein solches Haftzentrum mit der Oberfläche in Kontakt, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass es damit an der Oberfläche „kleben bleibt“. Das könnte besonders für kugelige Bakterien von Vorteil sein, da diese schon unter geringen Flussbedingungen über die Oberfläche rollen können: Mit Hilfe dieser starken Haftzentren könnten sie damit die Wahrscheinlichkeit stark erhöhen, sich auf der Oberfläche anzusiedeln.

Auf belebter Oberfläche könnte der Vorteil noch größer sein, denn hier können die entsprechenden Strukturen, an denen Stoffe (Liganden) andocken können, auch in Gruppierungen („Clustern“) vorliegen und so eine sehr starke Interaktion ermöglichen.

Diese Erkenntnisse der Grundlagenforschung haben potenziell wichtige Auswirkungen auf die Entwicklung neuer Materialien und die Gestaltung künftiger Studien zur Bakterienhaftung. Sie eröffnen zudem neue Möglichkeiten für die Forschung im Bereich der Biomedizin und könnten letztendlich dazu beitragen, Infektionen durch Katheter und Implantate erheblich zu reduzieren.

Universität des Saarlandes


Originalpublikation:

C. Spengler, E. Maikranz, B. Glatz, M.A. Klatt, H. Heintz, M. Bischoff, L. Santen, A. Fery and K. Jacobs: “The adhesion capability of Staphylococcus aureus cells is heterogeneously distributed over the cell envelope”, Soft Matter, 2023, DOI: 10.1039/d3sm01045g, https://pubs.rsc.org/en/content/articlelanding/2023/sm/d3sm01045g