Maispflanzen bilden von Indol abgeleitete, spezielle Verbindungen, sogenannte Benzoxazinoide. Sie gelten als ökologisch wichtig, da sie gegen ein breites Spektrum von Pflanzenfressern wirken und ihren Fraß verringern. Benzoxazinoide weisen auch antimikrobielle Eigenschaften auf und sind vermutlich an der Vermittlung von Pflanze-Pflanze-Interaktionen beteiligt. Ihre Biosynthese in Mais ist schon seit den 1990er Jahren bekannt. Inzwischen ist ihr Biosyntheseweg in mehreren Gräsern entschlüsselt, aber auch in weiteren Pflanzenarten wurden Benzoxazinoide gefunden. Dabei ist ihre Verbreitung überraschend: Während spezialisierte Stoffwechselprodukte häufig in bestimmten, evolutionär verwandten Pflanzenfamilien vorkommen, zeigen Benzoxazinoide das gegenteilige Verhalten und kommen sporadisch in vielen weit voneinander entfernten Pflanzenfamilien vor. Mehrere Versuche, den Stoffwechselweg für diese Verbindungen nicht nur in Mais, sondern auch in entfernt verwandten Pflanzenarten aufzuklären, blieben erfolglos. Entsprechend war das Forschungsziel der Arbeitsgruppe um Tobias Köllner in der Abteilung Naturstoffbiosynthese am Max-Planck-Institut für chemische Ökologie klar: „Wir wollten herausfinden, ob sich die Fähigkeit, Benzoxazinoide zu bilden, unabhängig voneinander in unterschiedlichen Arten entwickelt hat.“
Das Team nutzte für die Untersuchungen zwei entfernt verwandte Pflanzenarten, die Benzoxazinoide herstellen: die gewöhnliche Goldnessel Lamium galebodolon, die bei uns in lichten Wäldern und an Waldrändern auf nährstoffreichen Böden vorkommt, und die Zebrapflanze Aphelandra squarrosa, eine beliebte Zimmerpflanze. Für beide Arten haben die Forschenden Datensätze für die Inhaltsstoffe und die Gesamtheit der Gene, die in verschiedenen Geweben exprimiert werden, erstellt und sie mit nahe verwandten Arten, die keine Benzoxazinoide bilden, verglichen. „Dieser Ansatz ermöglichte es uns, Kandidatengene zu identifizieren, die möglicherweise an der Bildung dieser Verbindungen beteiligt sind. Wir haben diese Kandidaten durch vorübergehende Expression in Tabakpflanzen näher charakterisiert, um herauszufinden, ob sie wirklich an der Bildung der Benzoxazinoide beteiligt sind“, beschreibt Matilde Florean, die Erstautorin der Studie, ihren methodischen Ansatz.
Die Forschenden konnten zeigen, dass sich der Benzoxazinoid-Stoffwechselweg in Mais und den beiden untersuchten Pflanzen unabhängig voneinander entwickelt hat. Tobias Köllner führt weiter aus: „Wir fanden heraus, dass im Gegensatz zu Mais, bei dem eine Reihe eng verwandter Cytochrom-P450-Enzyme bestimmte Schritte des Stoffwechselwegs durchführen, in den beiden anderen Pflanzenarten verschiedene Enzymklassen sowie andere Cytochrom-P450-Enyzme rekrutiert wurden.“ Insbesondere die Entdeckung, dass die beiden hier untersuchten Arten eine flavinhaltige Monooxygenase mit Doppelfunktion verwenden und nicht zwei verschiedene Cytochrom-P450-Enzyme wie in Gräsern, war völlig unerwartet. Das Forschungsteam hatte nicht damit gerechnet, eine solche Vielfalt von Enzymen zu finden, die dieselben Reaktionen ausführen.
„Wir haben mit dieser Arbeit gezeigt, wie flexibel der pflanzliche Stoffwechsel sein kann. Pflanzen können unabhängig voneinander sehr unterschiedliche Strategien erfinden, um dieselben chemischen Verbindungen herzustellen, und dies ist in der Evolutionsgeschichte der Benzoxazinoide mindestens dreimal geschehen“, fasst Sarah O’Connor, die Direktorin der Abteilung Naturstoffbiosynthese, die Forschungsergebnisse zusammen. Zukünftig möchte das Team die Synthese dieser Verbindungen in noch weiteren Pflanzenfamilien aufklären.
Max-Planck-Institut für chemische Ökologie
Originalpublikation:
Florean M., Luck K., Hong B., Nakamura Y., O’Connor S. E., Köllner T. G. (2023). Reinventing metabolic pathways: Independent evolution of benzoxazinoids in flowering plants. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, 120, e2307981120, doi: 10.1073/pnas.2307981120, https://doi.org/10.1073/pnas.2307981120