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Abrupte epigenomische Alterung des Darms

Kreisdiagramme mit dem Anteil von Cytosin im jeweiligen Cluster an allen aDMR-Cytosinen
Kreisdiagramme mit dem Anteil von Cytosin im jeweiligen Cluster an allen aDMR-Cytosinen; DNA-Methylierungstrajectories während des Alterns als Z-Scores und Methylierungsverteilung pro Altersgruppe. FLI

Schlagartige molekulare Veränderungen im Alternsprozess hat jetzt ein Forscherteam identifiziert. Der veröffentlichten Studie zufolge gibt es mindestens zwei epigenomische Umbrüche im Lebensverlauf des Darms einer männlichen Maus: einen während des Übergangs vom frühen zum mittleren Lebensalter (3-9 Monate) und einen während des Übergangs vom mittleren zum späten Lebensalter (15-24 Monate).

DNA-Methylierungsdaten liefern äußerst genaue Altersprädiktoren, aber bisher ist wenig über die Dynamik dieses epigenomischen Biomarkers im Verlauf des Lebens bekannt. Ein Forscherteam des Leibniz-Institut für Alternsforschung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI), des Universitätsklinikums Jena (UKJ) und der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) um Dr. Maja Olecka, Dr. Alena van Bömmel, Prof. Christoph Kaleta, Dr. Christiane Frahm und Prof. Steve Hoffmann hat dazu beigetragen, diese Wissenslücke zu verkleinern.

Die Bioinformatiker untersuchten die epigenetischen Muster (Methylierungstrajektorien) des männlichen Mauskolons zu verschiedenen Zeitpunkten des Alterns. Neben kontinuierlichen Methylierungsveränderungen konnten sie auch schlagartige Hypermethylierungsereignisse der DNA in spezifischen Lebensphasen nachweisen. Der jetzt in Nature Communications veröffentlichten Studie zufolge gibt es mindestens zwei epigenomische Umbrüche im Lebensverlauf des Darms einer männlichen Maus: einen während des Übergangs vom frühen zum mittleren Lebensalter (3-9 Monate) und einen während des Übergangs vom mittleren zum späten Lebensalter (15-24 Monate). Das Leben der Nagetiere kann somit ganz konkret in drei Stadien unterteilt werden.

Die Erkenntnisse bieten neue Perspektiven auf die Dynamik des Alterns. “Wir können den Alterungsprozess zumindest im Darm nicht mehr ausschließlich als kontinuierliche Anhäufung molekularer Veränderungen sehen, wie sie im Laufe des Lebens etwa durch verschiedene Umweltfaktoren und interne Prozesse im Körper auftreten können. Die Ergebnisse legen vielmehr nah, dass die Alterung durch eine schnelle und gezielte Umlegung bestimmter epigenomischer Schalter begleitet wird”, erklärt Dr. Alena van Bömmel, eine der beiden Erstautorinnen. Ihre Kollegin Dr. Maja Olecka ergänzt: “Vermutlich haben die von uns beschriebenen nichtlinearen Methylierungsänderungen einen funktionellen Einfluss auf das Organ. Gene, die von plötzlichen Veränderungen sowohl auf der Ebene der DNA-Methylierung als auch der Genexpression betroffen sind, spielen eine wichtige Rolle bei verschiedenen Aspekten der Gesundheit und Funktion des Dickdarms. Dazu zählen etwa Gene mit einer Bedeutung für das enterische Nervensystem, die Barrierefunktion des Darms und die Entwicklung von Dickdarmkrebs”.

Begleitend entwickelte das Forscherteam einen Uhr-artigen Klassifizierer namens STageR (STage of aging estimatoR). Mit ihm kann das epigenetische Stadium von Mäusen vorhergesagt werden. Der STageR unterscheidet sich von anderen epigenomischen Uhren insofern, als dass er auf nichtlinear veränderten DNA-Bereichen basiert. Er liefert der Alternsforschung damit eine weitere Methode zur Untersuchung des Epigenoms. Die Genauigkeit des STageRs wurde in einer separaten Gruppe von Mäusen sowie anhand öffentlich verfügbarer Daten bestätigt.

Die nächsten Schritte dieses Forschungsprojekts sind bereits ins Auge gefasst: “Die von uns entdeckten, nichtlinearen Methylierungsdynamiken sind ein spannender Ausgangspunkt für weitere Studien,” erklärt Steve Hoffmann. “Wir wollen nun prüfen, ob das Phänomen auch in anderen Geweben sichtbar ist."

Leibniz-Institut für Alternsforschung – Fritz-Lipmann-Institut


Originalpublikation:

Olecka, M., van Bömmel, A., Best, L. et al. Nonlinear DNA methylation trajectories in aging male mice. Nat Commun15, 3074 (2024). doi.org/10.1038/s41467-024-47316-2