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Beispiel Amazonas: Wie Paläoumweltdaten Klimamodelle verbessern

Amazonas Regenwald AI generiert
KI-generierte Abbildungen von modellierten Vegetationsformen im eiszeitlichen Amazonas-Becken. Die zugrunde liegenden Modelle wurden direkt mit Paläo-Umweltdaten wie zum Beispiel Pollenanalysen justiert. Sie erlauben so eine genauere Rekonstruktion vergangener Umwelten. © Kelley, D.I., Sato, H., Ecker, M. et al., npj biodivers 3, 23 (2024)

Der Amazonas-Regenwald ist eines der artenreichsten Ökosysteme der Erde. Allerdings ist diese Biodiversität nicht über das gesamte Gebiet gleich verteilt und einige Arten kommen nur in bestimmten Teilregionen vor. Der Grund dafür ist in der Wissenschaft nach wie vor umstritten. Neue Umweltmodellierungen liefern eine Erklärung für den Artenreichtum im Amazonasgebiet. Die Studie nutzt eine neue Methode, um archäologische und geowissenschaftliche Daten in Klima-Modellen zu berücksichtigen. Sie öffnet neue Wege für die Rekonstruktion der Wechselwirkung Mensch-Umwelt in der Vergangenheit.

Eine neue internationale Studie unter der Leitung des Britischen Centre for Ecology & Hydrology (UKCEH) und unter Beteiligung des Instituts für Ur- und Frühgeschichte der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel stellt nun weit verbreitete Vorstellungen darüber in Frage, wie sich der Amazonas während der letzten Eiszeit von etwa 2,6 Millionen bis 11.700 Jahren vor heute entwickelt hat. „Gleichzeitig zeigen wir, wie Daten aus der Archäologie und aus den Geowissenschaften effektiv zur Korrektur globaler Klimamodelle verwendet werden können, anstatt nur die Ergebnisse beider Methoden zu vergleichen“, sagt die Kieler Archäologin Dr. Michaela Ecker. Sie ist Co-Autorin der Studie, die heute in der internationalen Online-Fachzeitschrift njp Biodioversity erschienen ist.

Eine der verbreiteten Theorien zur Entwicklung des Amazonas-Gebietes besagt, dass es dort während der letzten Eiszeit vereinzelte „Waldinseln“ gab, die völlig voneinander isoliert waren. So hätten sich in verschiedenen Regionen unterschiedliche Arten entwickeln können. Andere Studien kamen zu dem Ergebnis, dass auch während der Eiszeit der Wald zusammenhängend war und ungefähr die gleiche Fläche wie heute bedeckte.

Die aktuelle Modellierungsstudie deutet darauf hin, dass die Antwort in der Mitte zwischen beiden Extrempositionen liegt. Demnach führte eine Kombination von Faktoren zu einem dramatischen Rückgang der Waldbedeckung im Amazonasgebiet während der letzten Eiszeit. Allerdings waren die übrig gebliebenen Waldinseln durch Savannen und lichter mit Bäumen bestandene Gebiete miteinander verbunden.

Durch diese Gebiete konnten sich anpassungsfähige Arten zwischen den Waldinseln bewegen. Spezialisierte Arten, die auf einen bestimmten Lebensraumtyp angewiesen waren, blieben dagegen auf einzelne Waldinseln beschränkt und entwickelten sich dort weiter. So entstand über die mehr als zweieinhalb Millionen Jahre andauernde Eiszeit eine große Diversität von teils weit verbreiteten und teils nur lokal verbreiteten Arten.

Um die Entwicklung des Amazonas-Ökoystems zu rekonstruieren, verwendete das internationale Team eine Kombination neuester Modellierungstechiken, in die auch die Ergebnisse von Untersuchungen der vergangenen Umwelt direkt einflossen.

Fossile Pollen sagen beispielsweise etwas darüber aus, wo während der letzten Eiszeit im Amazonasgebiet welche Pflanzenarten wuchsen. Allerdings stehen diese Daten nicht flächendeckend zu Verfügung. Sie haben also vor allem lokale oder regionale Aussagekraft. Mit Computermodellen kann die Wissenschaft dagegen Landschaften oder das Klima überregional oder sogar global rekonstruieren.

„Bislang wurden die beiden Methoden getrennt voneinander angewendet und erst in einem zweiten Schritt verglichen“, erklärt die Kieler Archäologin Michaela Ecker, „in der aktuellen Studie bringen wir sie zusammen und justieren das Modell direkt an den pollenanalytischen Daten“.

Auf dieser Grundlage liefert die Studie eine umfassende Erklärung für die Biodiversität im Amazonas. Gleichzeitig liefert sie ein wichtiges neues Instrument für weitere Modellierungen vergangener Umwelten. „Das Wechselspiel zwischen Mensch und Umwelt seit der Steinzeit ist ein besonderer Forschungsschwerpunkt in Kiel, zum Beispiel im Exzellenzcluster ROOTS. Wenn wir wie in dieser Pilotstudie Daten der Archäologie direkt in Umweltmodellierungen berücksichtigen, eröffnet das für die Rekonstruktion dieses Wechselspiels ganz neue Möglichkeiten“, betont Dr. Michaela Ecker.

Universität Kiel, Exzellenzcluster ROOTS


Originalpublikation:

Kelley, D.I., Sato, H., Ecker, M. et al. Niche-dependent forest and savanna fragmentation in Tropical South America during the Last Glacial Maximum. npj biodivers 3, 23 (2024). https://doi.org/10.1038/s44185-024-00056-4