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Wie der Meeresspiegel den globalen Kohlenstoffkreislauf beeinflusst

Tropische Steinkorallen im Versuchsbecken am GEOMAR.
Tropische Steinkorallen im Versuchsbecken am GEOMAR. Foto: Jan Steffen GEOMAR

Mithilfe einer neuartigen Methode zur Messung stabiler Strontium-Isotope, die am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel entwickelt worden ist, konnte ein internationales Team von Wissenschaftler*innen jetzt erstmals wesentliche Details des Kohlenstoffkreislaufs der vergangenen 35 Millionen Jahre rekonstruieren. Dabei zeigte sich, dass Meeresspiegelschwankungen nicht nur Folge von, sondern auch Mitverursacher von Klimaveränderungen sein können. Die Studie erscheint heute in der internationalen Fachzeitschrift Science.

Kohlenstoff ist ein wahrer Verwandlungskünstler unter den Elementen. Mit Kalzium bildet er beispielsweise Kalziumkarbonate, aus denen Korallenskelette oder die Schalen von Kalkalgen bestehen. In Verbindung mit Sauerstoff bildet Kohlenstoff das Treibhausgas Kohlendioxid, in Verbindung mit Wasserstoff das noch wirksamere Treibhausgas Methan. Kohlenstoff ist also auch ein wichtiger Indikator der Klimageschichte. Je mehr Kohlenstoff in biologischer Form, im Meeresboden oder im festen Untergrund gebunden ist, desto kühler war es auf der Erde – und umgekehrt. Den Kohlenstoffkreislauf in allen Details nachzuvollziehen ist daher fundamental, um auch das Klimasystem der Erde zu besser zu verstehen.

Wissenschaftler*innen der University of California Santa Cruz (USA) und des GEOMAR Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung Kiel berichten heute in der renommierten Fachzeitschrift Science über neue Einblicke in den globalen Kohlenstoffkreislauf der vergangenen 35 Millionen Jahre. Dabei geht es insbesondere um Prozesse, die Kohlenstoff durch die Ablagerung von Karbonaten aus der Umwelt entfernen. „Wir konnten so nicht nur die Verknüpfung zwischen Kohlenstoffkreislauf und Klimaveränderungen nachvollziehen, sondern auch den Einfluss von Meeresspiegelschwankungen auf den Kohlenstoffkreislauf nachweisen“, erläutert Prof. Dr. Anton Eisenhauer vom GEOMAR, Co-Autor der Studie.

Die Untersuchung beruht auf analytisch aufwendigen Messungen von Isotopen des Elements Strontium in Meeresbodenproben. „Strontium ist Kalzium sehr ähnlich und wird daher in die Kalziumkarbonatschalen von Meeresorganismen mit eingebaut", erklärt die Hauptautorin Prof. Dr. Adina Paytan von der amerikanischen University of California - Santa Cruz. Über das Strontium können so Rückschlüsse auf die Bildung von Kalziumkarbonat im Meer gezogen werden. Das neuartige Verfahren zur präzisen Messung sogenannter „stabiler Strontium-Isotope“ war zuvor am GEOMAR in Kiel entwickelt worden.

Das internationale Team fand, dass die stabilen Strontium-Isotopenverhältnisse im Ozean großen Schwankungen unterlagen, die im Zusammenhang mit den Veränderungen des Kohlenstoffkreislaufs der letzten 35 Millionen Jahre stehen. Dabei spielt auch der Meeresspiegel eine entscheidende Rolle. Das ergab der Vergleich von Karbonatablagerungen in Küstennähe und im tiefen Ozean.

Die Karbonatablagerung im offenen Ozean erfolgt überwiegend durch Kalkschalen bildendende Einzeller wie Foraminiferen oder Coccolithophoriden, die ihre Schalen aus dem Kalziummineral Kalzit bilden. Im flacheren Wasser der kontinentalen Schelfe dominieren jedoch Steinkorallen, die ihre Skelette aus dem Kalziummineral Aragonit aufbauen.

Obwohl Kalzit und Aragonit viele Eigenschaften gemeinsam haben, unterscheiden sie sich sehr stark durch ihr Bildungsmilieu und in ihrer chemischen Zusammensetzung. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf den Einbau des Elements Strontium. Wenn sich die aragonitischen Korallen bilden, entfernen sie viel mehr Strontium aus dem Meerwasser, als dies die einzelligen kalzitischen Foraminiferen tun. Korallen geben aber auch Strontium wieder an das Meerwasser ab, wenn die Ozeanschelfe aufgrund von Klimaschwankungen trockenfallen und Verwitterungsprozesse sie erodieren lassen.

„Dank der neuen Analysen verstehen wir die Prozesse genauer, die ablaufen, wenn Kohlenstoff aus der Umwelt entfernt und im Meer deponiert wird. So konnten wir auch zeigen, dass die Meeresspiegelschwankungen nicht nur Folge von, sondern auch Verursacher von Klima- und atmosphärischen CO2-Variationen sind“, sagt Professor Eisenhauer.

„Diese Ergebnisse eröffnen ein neues Fenster, in dem wir sehen können, wie sich der globale Kohlenstoffkreislauf im Laufe geologischer Zeiten an den Meeresspiegel und den Klimawandel angepasst hat. Diese Erkenntnisse können helfen, unsere Reaktion auf den aktuellen Klimawandel besser steuern zu können und die schlimmsten Auswirkungen der Versauerung der Ozeane abzumildern“, fügt Professor Klaus Wallmann vom GEOMAR und ebenfalls Co-Autor der Studie hinzu.

GEOMAR


Originalpublikation:

Paytan, A., E. M. Griffith, A. Eisenhauer, M. Hain, K. Wallmann, and A. Ridgewell (2021): A 35-million-year record of seawater stable Sr-isotopes reveals a fluctuating global carbon cycle. Science, 371, 1346-1350, doi: 10.1126/science.aaz9266

https://doi.org/10.1126/science.aaz9266