Noch ist das Ergebnis allerdings nicht amtlich. Bevor die EU-Kommission sich mit dem Anliegen der Tierversuchsgegner befasst, dauert es noch mehrere Monate. Die Behörden in den einzelnen EU-Ländern müssen die Unterschriften prüfen und dann der Initiative bescheinigen. Dazu haben sie drei Monate Zeit. Die Initiative reicht daraufhin die Petition bei der EU-Kommission ein und hat unter anderem die Möglichkeit, ihr Anliegen vor dem EU-Parlament vorzutragen. Danach hat die EU-Kommission sechs Monate Zeit, Stellung zu beziehen.
„Zahlreiche Bürgerinnen und Bürger in Europa wünschen sich eine Forschung mit weniger Tierversuchen“, sagt Prof. Stefan Treue, Sprecher der Initiative Tierversuche verstehen. „Ein Verbot jeglicher Tierversuche in Europa bedeutet jedoch nicht gleichzeitig mehr Tierschutz. Das ist ein Trugschluss und zu kurz gedacht.“ Die nach wie vor notwendige und teilweise sogar rechtlich vorgeschriebene Forschung ziehe dann in außereuropäische Länder, in denen unter Umständen auf das Wohl der Tiere weniger Wert gelegt werde, als unter den strengen Kriterien in der EU. Treue betont: „Es muss daher unser klares Ziel in Europa bleiben, den besten Methodenmix in der Forschung und Tierschutz auf höchstmöglichem Niveau gleichermaßen zu ermöglichen.“
Das europaweite Tierschutzrecht schreibt streng vor, dass Tierversuche nur dann durchgeführt werden dürfen, wenn sich die wissenschaftliche Fragestellung nicht durch eine tierversuchsfreie Technologie beantworten lässt. Die Bürgerinitiative fordert hingegen im Kern einen unverzüglichen und kompletten Ausstieg aus Tierversuchen in der EU, auch wenn aktuelle Alternativen noch keinen Ersatz bieten.
„Die biomedizinische Wissenschaft lebt von der Vielfalt ihrer Methoden, nicht nur von Tierversuchen. Und sie lebt auch später nicht nur von tierversuchsfreien Technologien. Wissenschaftler*innen wählen ihre Methoden und Modelle danach aus, ob sie eine Antwort auf eine Fragestellung liefern können“, sagt Prof. Brigitte Vollmar, Vorsitzende der Ständigen Senatskommission für tierexperimentelle Forschung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). „Die Methoden ergänzen sich oftmals. Es kann somit auch gut sein, dass man Erkenntnisse aus Tierversuchen benötigt, um eine tierversuchsfreie Technologie zu ebnen“, so Vollmar weiter.
Im Jahr 2014 hatte die Initiative „Stop vivisection“ unter dem gleichnamigen Kampagnenmotto eine ähnliche Petition gestartet. Diese hatte Änderungen eben jener EU-Richtlinie und einen sofortigen Stopp aller Tierversuche gefordert. Die EU-Kommission widersprach dieser Forderung. Sie verwies auf die sowohl historische als auch aktuelle Bedeutung von Tierversuchen für den Schutz von Mensch und Umwelt und wies darauf hin, dass die Richtlinie 2010/63/EU für eine schrittweise Reduktion von Tierversuchen genau der richtige Weg sei.
Die InitiativeTierversuche verstehen hat weitere Informationen und Fakten zur Petition sowie deren Geschichte auf ihrer Webseite zusammengetragen. Prof. Olivia Masseck kommentiert dort zudem die Situation in einem Gastbeitrag.
Initiative Tierversuche verstehen