Der Geruchssinn ist der bisher am wenigsten erforschte unserer Sinne – obwohl Geruchsstörungen die Lebensqualität stark beeinträchtigen und Hinweise auf Erkrankungen geben können. In der aktuellen Studie wurden die genetischen Grundlagen des Geruchssinns bei über 21.000 Menschen europäischer Herkunft analysiert. Ein besonderes Augenmerk lag auf möglichen Unterschieden zwischen Frauen und Männern. Dafür wurden sogenannte genomweite Assoziationsanalysen genutzt, bei denen das Erbgut vieler Menschen miteinander verglichen wird.
Verbindung des Geruchssinns zu Alzheimer und Hormonen
„Wir haben zehn genetische Regionen gefunden, die mit der Fähigkeit, bestimmte Gerüche zu erkennen, zusammenhängen – sieben davon wurden erstmals entdeckt. Drei dieser Regionen zeigen zudem geschlechtsspezifische Effekte, sie wirken also bei Männern und Frauen unterschiedlich“, sagt Prof. Dr. Markus Scholz, Leiter der Studie vom Institut für Medizinische Informatik, Statistik und Epidemiologie der Universität Leipzig. Die Ergebnisse helfen zu verstehen, warum Frauen zum Beispiel während ihres Zyklus oder in der Schwangerschaft Gerüche anders wahrnehmen. Sie könnten auch dazu beitragen, medizinische Diagnosen besser an das Geschlecht anzupassen.
Ein weiteres zentrales Ergebnis der Studie: „Es gibt einen Zusammenhang zwischen dem Risiko für die Alzheimer-Krankheit und der Fähigkeit, Gerüche zu erkennen. Das verstärkt Hinweise darauf, dass der Geruchssinn, Geschlechtshormone und neurodegenerative Erkrankungen verknüpft sind“, sagt Franz Förster, Erstautor der Studie und Nachwuchswissenschaftler an der Medizinischen Fakultät. Die genetischen Einflüsse waren in der aktuellen Analyse jeweils auf einzelne Gerüche beschränkt – es gab keinen „Universal-Genort“, der die Wahrnehmung mehrerer Gerüche beeinflusst.
Alltagsgerüche mit Riechstiften erkennen
In der Leipziger LIFE-Adult-Studie und weiteren Partnerstudien mussten die Teilnehmer:innen zwölf verschiedene Alltagsgerüche erkennen, die mit speziellen Riechstiften präsentiert wurden. Die Antworten wurden mit den genetischen Daten abgeglichen und in einer großen Metaanalyse federführend vom IMISE ausgewertet.
Aktuell läuft in der deutschlandweiten NAKO-Studie, an der auch die Universität Leipzig beteiligt ist, eine noch größere Untersuchung, an der rund 200.000 Menschen teilnehmen. Die Forschenden des IMISE erwarten, dadurch die genetischen und geschlechtsspezifischen Unterschiede beim Riechen bald noch genauer untersuchen zu können.
Universität Leipzig
Originalpublikation:
Förster, F., Emmert, D., Horn, K. et al. Genome-wide association meta-analysis of human olfactory identification discovers sex-specific and sex-differential genetic variants. Nat Commun16, 5434 (2025). doi.org/10.1038/s41467-025-61330-y