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Tierversuche: EU stellt Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland ein

Die EU-Kommission hat das seit 2018 anhängige Verfahren wegen einer Verletzung der EU-Richtlinie 2010/63/EU eingestellt und damit die korrekte Umsetzung der Richtlinie anerkannt. Diese gibt EU-weit den Rechtsrahmen für Tierversuche und den Umgang mit Versuchstieren vor. Im Vertragsverletzungsverfahren hatte die EU-Kommission die Bundesregierung aufgefordert, das Tierversuchsrecht in Deutschland besser an die Richtlinie anzupassen. Im Jahr 2021 wurden das Tierschutzgesetz sowie die Tierschutzversuchstierverordnung und die Versuchstiermeldeverordnung entsprechend formuliert.

Im Sommer 2018 erging hierzu eine offizielle „Aufforderung“ der EU-Kommission an Deutschland. Die Kommission hatte darin ausgeführt, dass ihrer Ansicht nach einige Formulierungen im deutschen Tierversuchsrecht nicht mit der EU-Richtlinie 2010/63/EU übereinstimmten. Damit wurde ein formelles Vertragsverletzungsverfahren eröffnet. Nachdem die Bundesregierung die Aufforderung zunächst abschlägig beantwortet hatte, legte die Kommission im Juli 2019 mit der nächsten Stufe des formellen Verfahrens nach und schickte eine „mit Gründen versehene Stellungnahme“ an die Bundesregierung. Um einer Klage vor dem Europäischen Gerichtshof und einer möglichen finanziellen Vertragsstrafe zu entgehen, wurde daraufhin der Gesetzgebungsprozess in Deutschland gestartet. Dieser mündete im Sommer 2021 in eine Änderung des Tierschutzgesetztes und zweier Verordnungen, die Regeln für Tierversuche betreffen. Die Änderungen traten am 01. Dezember 2021 in Kraft.

Am 15. Juli 2022 beendete die Kommission offiziell das Vertragsverletzungsverfahren mit der Fallnummer INFR(2018)2207, wie aus der Datenbank für Vertragsverletzungsverfahren hervorgeht. Dies bestätigte das zuständige Direktorat der Kommission auf Anfrage. Damit hat die Kommission die neuen nun gültigen Formulierungen im deutschen Tierversuchsrecht anerkannt. Deutschland habe im Zuge des Verfahrens die Umsetzung der Richtlinie „nachgebessert“, so das Direktorat.

Inhalte des Verfahren sind nicht öffentlich

Die genauen Inhalte der laufenden Verfahren sind nicht öffentlich, es gibt jedoch zu den einzelnen Fällen „Memos“, die in der EU-Datenbank abgerufen werden können. Zur Schließung von Verfahren gibt die EU-Kommission hingegen üblicherweise keine Mitteilungen heraus. Die Kommission bestätigte auf Anfrage von „Tierversuche verstehen“ den Verfahrensabschluss und verwies auf die bisherigen Memos.

Das in Deutschland zuständige Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) unter Minister Cem Özdemir (Die Grünen) hatte ebenfalls bisher keine öffentliche Mitteilung zum Abschluss des Falls gemacht. Auf Anfrage von „Tierversuche verstehen“ gab das BMEL an, dass nun die „Bestätigung für die vollumfängliche Umsetzung der EU-Versuchstierrichtlinie vorliegt“. Die bisherige Umsetzung aus dem Jahr 2013 sei von der EU-Kommission als unzureichend kritisiert worden. Im laufenden Verfahren habe eine Vielzahl an Punkten, die die Kommission bemängelt habe, ausgeräumt werden können. Jedoch habe sich gezeigt, dass eine Überarbeitung und Konkretisierung der nationalen Regelungen erforderlich gewesen sei. Nach Verkündung entsprechender Änderungen im August 2021 habe man die Kommission im September 2021 um Einstellung des Verfahrens gebeten. „Mit der beschriebenen Änderung des nationalen Versuchstierrechts konnte demnach die vollumfängliche Umsetzung der EU-Versuchstierrichtlinie sichergestellt und eine Klageerhebung beim Europäischen Gerichtshof verhindert werden“, so das BMEL.

Bestehende Regelungen wurden präzisiert

Die Allianz der Wissenschaftsorganisationen hatte für den deutschen Gesetzgebungsprozess eine Stellungnahme abgegeben.

Prof. Stefan Treue, Sprecher der Initiative „Tierversuche verstehen“, die im Auftrag der Allianz der Wissenschaftsorganisationen tätig ist, sieht mit dem Abschluss des Verfahrens die bisherige Praxis in Deutschland bestätigt. „Das Vertragsverletzungsverfahren war sehr intransparent und in der Wissenschaft war nicht bekannt, was genau die EU denn eigentlich bemängelt hat. Die neuen rechtlichen Formulierungen präzisieren fast ausschließlich bereits bestehende Regelungen – für die Maßnahmen zur Sicherstellung des Tierschutzes ergeben sich keine wesentlichen Änderungen. Deutschland hat ein wirksames und international führendes Tierversuchsrecht – dies gilt es unbürokratisch so umzusetzen, dass sowohl dem Tierschutz als auch dem Fortschritt und der Qualität der Forschung bestmöglich Rechnung getragen wird“, so Treue.

Deutschland ist nicht das einzige Land, das mit einem Vertragsverletzungsverfahren wegen Verstoß gegen Richtlinie 2010/63/EU konfrontiert war. Gegen insgesamt 21 der 28 EU-Mitgliedsstaaten wurden seit Erlass der Richtlinie – teilweise bereits mehrfach – Verfahren aus unterschiedlichen Gründen eröffnet, von denen derzeit noch vier Verfahren anhängig sind – gegen Italien, Dänemark, Bulgarien und Polen.

Tierversuche verstehen


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