Er leitete zusammen mit vier US-Kollegen das Projekt. Die Arbeit wurde im Rahmen des internationalen Human Pangenome Reference Consortium durchgeführt, das vom National Human Genome Research Institute (NHGRI/NIH) in Bethesda, (Washington D.C.), USA, finanziert wird. Das zugehörige Paper wurde am 10. Mai in dem renommierten Fachjournal „Nature“ veröffentlicht.
Die neue Pangenom-Referenz umfasst Genomsequenzen von 47 Menschen. Die Anzahl soll bis Mitte 2024 auf 350 Sequenzen anwachsen. Da jede Person einen gepaarten Chromosomensatz trägt, umfasst die aktuelle Referenz im Ganzen 94 verschiedene Genomsequenzen. Ziel der beteiligten Forscherinnen und Forscher ist, bis zum Abschluss des Projekts eine Gesamtzahl von 700 verschiedenen Genomsequenzen zu erreichen. Die nun publizierte Arbeit wird begleitet von vier weiteren Fachartikeln des Konsortiums, von denen zwei ebenfalls in der Nature-Ausgabe am 10. Mai erschienen sind.
Ein Genom ist der Satz von DNA-Bausteinen, der jedem Lebewesen ermöglicht sich zu entwickeln und zu funktionieren. Die Genomsequenzen unterscheiden sich von Mensch zu Mensch nur geringfügig. Die Genome von zwei Menschen sind im Durchschnitt zu mehr als 99 Prozent identisch. Aber die kleinen Unterschiede tragen zur Einzigartigkeit eines jeden Menschen bei und können Aufschluss über seine Gesundheit geben. Sie können helfen, Risiken für Krankheiten vorherzusagen und medizinische Behandlungen individuell zu steuern.
Die ursprüngliche Referenzsequenz des menschlichen Genoms ist fast 20 Jahre alt. Sie wurde unterdessen im Rahmen des technologischen Fortschritts angepasst und aufgrund der Entschlüsselung weiterer Regionen des menschlichen Genoms regelmäßig aktualisiert. „Diese Form einer Referenzsequenz ist jedoch ungeeignet um die Vielfalt der menschlichen Spezies angemessen zu beschreiben und stellt so keine gute Grundlage für die personalisierte Medizin der Zukunft dar“, sagt Prof. Dr. Tobias Marschall, Direktor des Instituts für Medizinische Biometrie und Bioinformatik an Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU), der zusammen mit vier Forschern aus den USA die Studie geleitet hat.
„Wir haben bereits im letzten Jahr eine neue Methode entwickelt, die ein solches Pangenom verwendet, um menschliche Genome besser zu interpretieren“, erläutert Jana Ebler, Doktorandin in der Arbeitsgruppe von Prof. Marschall und Ko-Autorin der Studie. „Durch die Anwendung unserer Software auf das neue Pangenom können wir besonders gut komplexere Regionen im Genom analysieren, die zuvor mit dem linearen Referenzgenom nur schwer zugänglich waren. Dies ermöglicht es, in Zukunft neue genetische Varianten in diesen Regionen zu erforschen und deren Einfluss auf den Organismus zu verstehen.“
Die Gesamtkosten für die Unterstützung der Arbeit des Human Pangenome Reference Consortium durch das National Human Genome Research Institute belaufen sich voraussichtlich auf etwa 40 Millionen Dollar über einen Zeitraum von fünf Jahren.
„Grundlagenforscher und Kliniker, die Genomik nutzen, brauchen Zugang zu einer Referenzsequenz, die die bemerkenswerte Vielfalt der menschlichen Bevölkerung widerspiegelt. Dies wird dazu beitragen, die Referenz für alle Menschen nutzbar zu machen und damit die Gefahr der Verbreitung von gesundheitlichen Ungleichheiten zu verringern", sagte Eric Green, M.D., Ph.D., Direktor des NHGRI in Bethesda. „Die Schaffung und Verbesserung einer menschlichen Pangenom-Referenz entspricht dem Ziel des NHGRI, eine globale Vielfalt in allen Aspekten der Genomforschung anzustreben, die entscheidend ist, um genomisches Wissen voranzubringen und die genomische Medizin auf gerechte Weise umzusetzen.“ Das Human Pangenome Reference Consortium umfasst eine integrierte Ethikgruppe, die Herausforderungen antizipieren will und eine ethikkonforme Umsetzung und Strategie unterstützt. Unter anderem kooperiert die Ethikgruppe mit internationalen und indigenen Gemeinschaften, um ihre Genomsequenzen möglichst einzubeziehen.
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Originalpublikation:
Liao, WW., Asri, M., Ebler, J. et al. A draft human pangenome reference. Nature617, 312–324 (2023). doi.org/10.1038/s41586-023-05896-x