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Jüngste fossile Riesenschildkröte Europas entdeckt

Oberschenkelknochen der sizilianischen Riesenschildkröte
Oberschenkelknochen der sizilianischen Riesenschildkröte und einer Griechischen Landschildkröte im Vergleich. Foto: Pietro Valenti

Ein internationales Team aus Wissenschaftlern, unter ihnen die Senckenberger Uwe Fritz und Christian Kehlmaier, hat in der Höhle Zubbio di Cozzo San Pietro auf Sizilien – einer Begräbnisstätte aus der Kupfer-/Bronzezeit – einen erstaunlichen Fund gemacht: Knochen einer Riesenschildkröte. Die Skelettfragmente wurden auf eine Zeit von 12.500 Jahre vor heute datiert. Sie stammen somit nicht aus dem zeitlichen Kontext der weiteren Funde in der Höhle. Es gab Riesenschildkröten in Europa demnach wesentlich länger als bisher bekannt war. Die Tiere waren Zeitgenossen moderner Menschen, die womöglich zu ihrem Verschwinden beigetragen haben.

Die Fundstätte Zubbio di Cozzo San Pietro ist ein prähistorischer Bestattungsbereich, in dem die Schildkröten-Knochen in eine jüngere Fundschicht geraten sind. „Es war ein Glücksfall, dass sich unter den Funden ein intakter Oberschenkelknochen befand“, so Prof. Dr. Uwe Fritz von den Senckenberg Naturhistorischen Sammlungen Dresden und weiter: „Aufgrund ihrer Stabilität gehören Oberschenkelknochen zu den am häufigsten und am besten erhaltenen Fundstücken großer fossiler Schildkröten. Sie sind ein wichtiger Anhaltspunkt um welche Art es sich handelt.“

Vergleiche des Oberschenkelknochens mit anderen Landschildkröten-Arten erlaubten, die Größe des Tieres zu ermitteln. Die sizilianische Art hatte eine Panzerlänge von 50 bis 60 Zentimetern. Sie war damit bis zu drei Mal so groß wie die heute noch auf Sizilien vorkommenden Griechischen Landschildkröten (Testudo hermanni), aber deutlich kleiner als beispielsweise die heute noch lebenden Riesenschildkröten von Galapagos. Außerdem unterscheidet sich die sizilianische Riesenschildkröte in der Form des Oberschenkelknochens sehr stark von allen heute noch lebenden Landschildkröten und von den meisten fossilen Arten. Sehr ähnliche Knochen sind allerdings von anderen Riesenschildkröten aus dem Mittelmeergebiet bekannt, die schon früher ausgestorben sind.

Der leitende Wissenschaftler der Veröffentlichung Prof. Dr. Massimo Delfino von der Universität Turin erläutert: „Wir ziehen daher die Schlussfolgerung, dass diese Arten aus dem Mittelmeergebiet eine heute komplett erloschene Evolutionslinie darstellen. Sie unterscheiden sich so stark von allen anderen Landschildkröten, dass sie als eigene Gattung Solitudo betrachtet werden können. Die neu entdeckte sizilianische Art Solitudo sicula ist der Vertreter dieser Gattung, der am längsten überlebt hat und vielleicht auch von altsteinzeitlichen Menschen gejagt und gegessen wurde.“ Ob die Jagd durch den Menschen zum Aussterben der sizilianischen Riesenschildkröte beigetragen hat oder nicht, ist derzeit aber noch nicht bekannt. Fritz ergänzt: „Wenn ich mir die globalen Muster von Aussterbeereignissen anschaue, liegt aber die Vermutung nahe, dass der Mensch eine Rolle spielte. Der Kollaps relativ großer und leicht zu jagender Arten fand häufig parallel zur Ausbreitung des modernen Menschen statt – Sizilien wird hier keine Ausnahme sein!“

Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseen


 

Originalpublikation:

Pietro Valenti, Evangelos Vlachos, Christian Kehlmaier, Uwe Fritz, Georgios L. Georgalis, Àngel Hernández Luján, Roberto Miccichè, Luca Sineo und Massimo Delfino: The last of the large-sized tortoises of the Mediterranean Islands. Zoological Journal of the Linnean Society 2022,  https://doi.org/10.1093/zoolinnean/zlac044