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MINT Nachwuchsbarometer 2022 belegt pandemiebedingte Lernrückstände und Leistungsabfälle in den MINT-Fächern

 MINT Nachwuchsbarometer 2022
Grafik MINT Nachwuchsbarometer 2022 Pia Bublies

Wie hat sich die Corona-Pandemie auf die MINT-Bildung ausgewirkt? Erste Antworten darauf gibt das MINT Nachwuchsbarometer 2022. Die Analyse zeigt: Die MINT-Bildung an Schulen hat während der Pandemie gelitten. Die Hochschulen dagegen haben sich als krisenfest erwiesen, dennoch steht die Hochschullehre vor einem großen Umbruch. Der bundesweite Trendreport zur Nachwuchssituation in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (MINT) wird von acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften und der Joachim Herz Stiftung herausgegeben.

Die Corona-Pandemie hat auch der MINT-Bildung zugesetzt, das zeigt das heute veröffentlichte MINT Nachwuchsbarometer 2022 von acatech und Joachim Herz Stiftung. Pandemiebedingte Lernrückstände, digitaler Unterricht und migrationsbedingte Benachteiligung erfordern neue Impulse, um eine hohe Qualität der MINT-Bildung in Zukunft sicherzustellen.

Im Fach Mathematik haben Schülerinnen und Schüler in Deutschland und in anderen europäischen Ländern in der Pandemie Lernrückstände in Höhe von zehn bis 13 Lernwochen bis zum Ende der Grundschule aufgebaut. An Hamburger Schulen hat der Anteil der leistungsstarken Grundschülerinnen und -schüler um knapp zehn Prozent abgenommen – während der Anteil der Leistungsschwachen um gut zehn Prozent anstieg. Das geht aus einer für das MINT Nachwuchsbarometer ausgewerteten Studie hervor.

Untersuchungen zeigen außerdem, dass Lehrerinnen und Lehrer während der Lockdown-Phasen die Möglichkeiten des Remote-Unterrichts nicht voll ausgeschöpft haben: angeleitete, eigenständige Projektarbeit, eine Methode, die gerade im Homeschooling sinnvoll angewendet werden kann, wurde von nur 16 Prozent der MINT-Lehrkräfte eingesetzt. Die große Mehrheit übertrug dagegen ihren Präsenzunterricht eins zu eins ins Digitale.

„In den vergangenen Monaten wurde viel über die Auswirkungen der Pandemie auf die MINT-Bildung gemutmaßt. Das MINT Nachwuchsbarometer bestätigt nun einige der geäußerten Sorgen. Es braucht jetzt gemeinsame Anstrengungen. Wir müssen einerseits bei der Digitalisierung an Schulen weiter vorankommen – sowohl die Ausstattung betreffend als auch die Kompetenzen der Lehrkräfte, der Schulleitungen sowie der Schülerinnen und Schüler. Andererseits müssen wir dafür sorgen, dass sich die MINT-Bildung schnell vom Virus erholen kann. Long-Covid in der MINT-Bildung muss unbedingt verhindert werden“, so Olaf Köller, Direktor des Leibniz-Instituts für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik (IPN) und Studienleiter des MINT Nachwuchsbarometers.

„Während der Pandemie ist der Frontalunterricht häufig in den digitalen Raum übertragen worden. Der sinnvolle Einsatz digitaler Medien geht aber weit darüber hinaus. Ich glaube, dass digitale Werkzeuge gerade in den Naturwissenschaften helfen können, das Lernen spannender und verständlicher zu machen. Um die Digitalisierung an den Schulen voranzutreiben, brauchen wir einerseits Fortbildungen für Lehrkräfte, andererseits muss die Arbeit mit digitalen Tools in das Lehramtsstudium verankert werden“, so Nina Lemmens, Vorständin der Joachim Herz Stiftung.

Hochschulen zeigen sich krisenfest – und befinden sich nach Corona im Umbruch

Der Bereich der tertiären Bildung hat die Auswirkungen der Pandemie besser verkraftet: In einer im MINT Nachwuchsbarometer präsentierten Umfrage unter fast 6.000 Masterstudierenden in den Fächern Mathematik, Informatik und Physik bewerten drei Viertel der Befragten das Krisenmanagement ihrer Hochschule mit der Note „sehr gut“ oder „gut“. Die Abfrage bezog sich vor allem auf das Informationsmanagement und die Erreichbarkeit von Kontaktpersonen an der Hochschule.

Die Umfrage macht darüber hinaus deutlich, dass die Hochschulbildung nach Corona nicht mehr die gleiche sein wird wie davor: So lehnen 81 Prozent der Mathematik-Studierenden und sogar 94 Prozent der Informatik-Studierenden eine vollständige Rückkehr zur traditionellen Präsenzlehre ab. Eine rein digitale Lehre wünschen sich allerdings auch nur die wenigsten Befragten. Beliebt sind bei den MINT-Studierenden vor allem kombinierte Formate wie Blended Learning, Präsenzphasen mit digitalen Elementen sowie hybride Formate.

„Die deutschen Hochschulen haben sich in der Covid-19-Krise als besonders resilient erwiesen – eine funktionierende digitale Infrastruktur war dabei einmal mehr ein wichtiger Faktor. Die Vorteile der Digitalisierung müssen nun auch im Primar- und Sekundarbereich des Bildungssystems besser ankommen. Davon würden gerade die MINT-Fächer profitieren: Deren Inhalte lassen sich digital unterstützt – Stichwörter: Virtual Reality, Gamification – sehr anschaulich vermitteln“, erklärt acatech Präsident Jan Wörner.

Ungleiche MINT-Leistungen: Migrationshintergrund hat weiterhin großen Einfluss

Seit Jahren weist das MINT Nachwuchsbarometer auch auf migrationsbedingte Unterschiede in den MINT-Leistungen hin: Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund schneiden in der Regel schlechter ab als ihre Pendants ohne Migrationshintergrund. Aus der aktuellen Ausgabe des MINT Nachwuchsbarometers geht beispielsweise hervor, dass Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund im Fach Mathematik in der 5. Jahrgangsstufe einen Rückstand von mehr als 70 Kompetenzpunkten auf Kinder ohne Migrationshintergrund aufweisen. Übersetzt in Schuljahre bedeutet dies einen Leistungsnachteil von bis zu zwei Schuljahren. Die Leistungsunterschiede werden im weiteren Bildungsverlauf nicht größer, sie können durch das Schulsystem jedoch nicht abgebaut werden.

acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften


Weitere Informationen:

http://www.acatech.de/mint-nachwuchsbarometer2022