Tropische Gebirge wie der Kilimandscharo erbringen vielfältige Leistungen, die direkt oder indirekt zum menschlichen Wohlbefinden beitragen – sogenannte Ökosystemdienstleistungen. Sie umfassen im Fall des Kilimandscharos die Versorgung von Millionen von Menschen mit Wasser, Brennholz und Heilpflanzen, den Anbau landwirtschaftlicher Produkte wie Kaffee und Bananen, weiterhin den Schutz der Hänge vor Erosion und Überschwemmungen durch die Vegetation sowie die Klimaregulation, indem die Wälder Wolkenbildung erhöhen und Temperaturen erniedrigen. Auch kulturelle Dienstleistungen wie Tourismus oder spirituelle Bedeutung zählen dazu. Wegen des Klimawandels und intensiver Landnutzung stehen solche als „Biodiversitäts-Hotspots“ bezeichneten Gebiete jedoch zunehmend unter Druck, was zum Artverlust führt. Für den Einsatz wirksamer Maßnahmen zur Eindämmung diese Artenrückganges ist ein Verständnis dafür nötig, welche Faktoren hierfür überhaupt ursächlich sind.
„Zwischen den Jahren 1911 und 2022 verschwanden am Kilimandscharo 75 Prozent der natürlichen Pflanzenarten pro Quadratkilometer an den unteren Hängen. Das hat auch enormen Einfluss auf andere Gruppen von Lebewesen, da Pflanzen eine grundlegende Rolle für das Funktionieren von Ökosystemen spielen“, sagt Dr. Andreas Hemp von der Universität Bayreuth und Erstautor der Studie. Während sich frühere Forschungen hauptsächlich auf den Klimawandel und dessen Auswirkungen statt auf die Ursachen des Rückgangs der Biodiversität konzentrierten, hat das internationale Forschungsteam um Dr. Hemp mehrere potenziell ursächliche Einflussfaktoren untersucht.
„In unserer Studie konnten wir zeigen, dass der Landnutzungswandel, verursacht durch schnelles Bevölkerungswachstum, der wichtigste Treiber des Biodiversitätsverlusts am Kilimandscharo war. Der Klimawandel hingegen hatte keinen erkennbaren Einfluss auf die beobachteten Biodiversitätstrends“, sagt Hemp.
Der Kilimandscharo besitzt einerseits einen enormen Reichtum verschiedener natürlicher Lebensräume mit einer vielfältigen Flora und Fauna, andererseits sind seine Hänge teilweise dicht besiedelt und intensiv genutzt. „Nirgendwo sonst gibt es eine vergleichbar hohe Zahl verschiedener Klima- und Vegetationszonen auf engstem Raum, die von trocken-heißer Savanne und feuchten Nebelwäldern bis zu den Gletschern am Gipfel reichen. Andererseits weisen einige ländliche Regionen Bevölkerungsdichten von 1.500 Menschen pro Quadratkilometer auf. Auch dieser Gegensatz ist einzigartig“, so Hemp. Daher ist der Kilimandscharo ein besonders gutes Beispiel für die Herausforderungen des globalen Wandels, aber auch für die Perspektiven und Chancen anderer tropischer Regionen.
Die Forschenden schlagen zur Minderung des Biodiversitätsverlusts die Einrichtung von Schutzgebieten sowie den Einsatz traditioneller und vielfältiger Agroforstwirtschaft vor. Insbesondere das nachhaltige und artenreiche Nutzungssystem der Bevölkerungsgruppe der Chagga könnte als Blaupause dienen: In den „Chagga homegardens“, die wie ein natürlicher Wald aufgebaut sind, wachsen Nutzpflanzen und Wildpflanzen nebeneinander: unter einer lockeren Baumschicht mit Avocados, Mangos und Waldbäumen werden Bananen, darunter Kaffee und am Boden Gemüse oder Heilpflanzen angebaut. Diese Struktur fördert ein günstiges Mikroklima und die Artenvielfalt. „Dieses Nutzungssystem lässt sich auf viele andere ländliche Gebiete in den Tropen übertragen, um das menschliche und ökologische Wohlergehen dort zu steigern“, sagt Hemp.
Universität Bayreuth
Originalpublikation:
Andreas Hemp, Mieko Miyazawa, Pekka Hurskainen. Gain and loss: human and environmental wellbeing – drivers of Kilimanjaro’s decreasing biodiversity. PLOS One (2025)
DOI: https://doi.org/10.1371/journal.pone.0334184





