VBIO

Buchenwälder: Fit für den Klimawandel?

Buchenwald
Der jährliche Zyklus des Austreibens und Abwerfens der Blätter von Rotbuchen wird durch das Zusammenspiel von Klima und genetischen Faktoren bestimmt. Foto: Markus Pfenninger

Durch Kombination von Satellitenbildern mit einer neuartigen genetischen Analyse konnte ein Forschungsteam unter Leitung des Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrums Frankfurt (SBiK-F) entschlüsseln, wie europäische Buchenwälder auf den Klimawandel reagieren. Die Studie zeigt, dass der Zeitpunkt des Laubaustriebs im Frühjahr in erster Linie von steigenden Temperaturen abhängt, aber auch, dass Baumpopulationen genetisch an ihre lokale Umgebung angepasst sind. Dieser integrierte Ansatz ermöglicht es erstmals, genau vorherzusagen, welche Buchenpopulationen für zukünftige Klimabedingungen am besten gerüstet sind. 

Durch die globale Erwärmung geraten auch die Wälder in Deutschland zunehmend unter Stress. Die Auswirkungen der klimatischen Veränderungen im Detail zu verstehen und vorhersehen zu können, ist daher von großer Bedeutung für die Forstbewirtschaftung und den Naturschutz. Der jährliche Zyklus des Blattaustriebs und Blattfalls – die sogenannte Phänologie – ist wichtig für die Gesundheit der Laubwälder und für das Klima. Er legt fest, wie lange Bäume Photosynthese betreiben können und beeinflusst damit ihr Wachstum sowie den Austausch von Kohlendioxid und Wasser mit der Luft. „Der Klimawandel verändert diese saisonalen Rhythmen, aber das Verständnis und die Vorhersage der Reaktion langlebiger Bäume war bisher eine große Herausforderung“, erklärt Prof. Dr. Markus Pfenninger vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum Frankfurt. „Bislang war es schwierig, die beiden Hauptfaktoren zu unterscheiden, die die saisonale Uhr eines Baumes steuern: die direkten Umwelteinflüsse wie Temperatur und die genetische Veranlagung des Baumes.“

Pfenninger und sein Team entwickelten einen innovativen Ansatz, um diese Hürde zu überwinden. Sie nutzten hochauflösende Satellitendaten aus den Jahren 2015 bis 2022, um den genauen Zeitpunkt des Laubaustriebs und des Laubfalls bei 46 Rotbuchenpopulationen (Fagus sylvatica) in ganz Deutschland zu überwachen. Anschließend verknüpften sie diese groß angelegte „Phänotypisierung aus dem Weltraum” mit einer neuen populationsbasierten genetischen Analysemethode. „Zum ersten Mal konnten wir ganze Wälder über Jahre hinweg aus dem Weltraum beobachten und gleichzeitig ihren kollektiven genetischen Bauplan lesen”, sagt Pfenninger. „Diese Kombination gibt uns einen beispiellosen Einblick in die Funktionsweise und Anpassungsfähigkeit dieser lebenswichtigen Ökosysteme.”

Ökologisch betrachtet wird der Zeitpunkt des Laubaustriebs im Frühjahr in erster Linie von der Temperatur und der Wasserverfügbarkeit bestimmt. Die Analyse der Forschenden zeigte, dass sich die Vegetationsperiode für Buchen seit den 1970er-Jahren bereits um etwa acht Tage verlängert hat, was fast ausschließlich auf einen früheren Laubaustrieb zurückzuführen ist. Diese Veränderung erfolgte nicht schrittweise, sondern als abrupte Verschiebung Ende der 1980er-Jahre, die mit einem dokumentierten Anstieg der Frühjahrstemperaturen in Europa zusammenfiel.

Entscheidend ist, dass die Studie auch starke Hinweise auf eine lokale genetische Anpassung liefert. „Buchenpopulationen sind nicht alle gleich, sie sind recht genau auf ihren jeweiligen Standort abgestimmt“, erklärt Prof. Dr. Thomas Hickler, Mitautor der Studie vom SBiK-F. „Beispielsweise sind nördliche Populationen genetisch so programmiert, dass sie ihre Blätter früher treiben lassen, als es das Klima allein vermuten lassen würde. Wir vermuten, dass so die kürzere Vegetationsperiode optimal genutzt wird. Dies zeigt, dass es eine vererbbare Grundlage für ihre Phänologie gibt.“ Die Forschenden konnten sogar die für diese Anpassungen verantwortlichen Kandidatengene identifizieren und sie mit der inneren „circadianen Uhr“ der Bäume für den Blattantrieb und mit den Ruhephasen für den Blattabwurf in Verbindung bringen.

Durch die Kombination von Umweltdaten mit den identifizierten genetischen Informationen kann das Team nun prognostizieren, wie verschiedene Buchenpopulationen auf zukünftige Klimaszenarien reagieren werden. „Dieses präzise Vorhersagemodell ist ein Meilenstein für die Waldbewirtschaftung und den Naturschutz“, fügt Pfenninger hinzu. „Unsere Studie macht deutlich: Die Europäische Buche kann sich gut an veränderte Bedingungen anpassen, wenn bei der Waldbewirtschaftung die genetische Vielfalt erhalten und eine natürliche Selektion ermöglicht wird.“

Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung


Originalpublikation:

Markus Pfenninger, Liam Langan, Barbara Feldmeyer, et al. (2025): Predicting forest tree leaf phenology under climate change using satellite monitoring and population-based genomic trait association. Global Change Biology https://doi.org/10.1111/gcb.70484