Deutschland zählt international weiterhin zu den Ländern mit besonders strengen Vorgaben für gentechnologische Forschung. Lange Genehmigungsverfahren, komplexe Verwaltungsabläufe und teilweise veraltete gesetzliche Regelungen führen dazu, dass innovative Projekte nur langsam realisiert oder gar nicht erst gestartet werden. Dies betrifft die Arbeit mit gentechnisch veränderten Organismen ebenso wie Freilandversuche, die Nutzung sensibler Daten oder die Forschung an embryonalen Stammzellen. Auch die Translation von der Grundlagenwissenschaft in praktische Anwendungen wird durch rechtliche Unsicherheiten erschwert – mit negativen Folgen für den Forschungs- und Biotech-Standort.
Gleichzeitig zeigt die Broschüre, dass Deutschland über eine leistungsfähige Forschungslandschaft verfügt, die international stark positioniert ist. Besonders dynamisch entwickeln sich Alternativmethoden zu Tierversuchen wie die Organoidforschung (Organoide sind organähnliche Strukturen, die durch Zellkulturtechniken gewonnen werden), ebenso wie die synthetische Biologie und datengetriebene biomedizinische Ansätze. Auch die industrielle Biotechnologie als zentrales Feld der deutschen Bioökonomie bietet große Chancen für nachhaltige Produktionsprozesse und klimafreundliche Innovationen. Die Autor*innen betonen, dass diese Potenziale nur dann vollständig ausgeschöpft werden können, wenn die bestehenden gesetzlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen modernisiert werden.
Die Broschüre zeigt zudem auf, in welchen Bereichen gentechnologische Forschung entscheidende Beiträge leisten kann: von Gen- und Zelltherapien und personalisierter Diagnostik in der Medizin über klimaresistente Pflanzen in der Landwirtschaft bis hin zu biobasierten Materialien für Klimaschutz und Kreislaufwirtschaft. Viele dieser Entwicklungen stehen kurz vor der Anwendung, können sich in Deutschland jedoch nur eingeschränkt entfalten.
Um diese Hemmnisse abzubauen, empfiehlt die Arbeitsgruppe Gentechnologiebericht eine umfassende Aktualisierung der Rechtsgrundlagen sowie Deregulierung der gentechnologischen Forschung. Dazu zählen die Reform des Stammzellgesetzes, die Modernisierung des Gentechnikrechts und eine Vereinheitlichung von Verwaltungsprozessen. Bürokratische Abläufe sollten insbesondere im niedrigen Risikobereich deutlich vereinfacht werden, um Effizienz und Planungssicherheit für Forschende zu erhöhen. Ein evidenzbasierter, innovationsfreundlicher Rechtsrahmen sei entscheidend, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands langfristig zu sichern.
Die Bestandsaufnahme kommt zu dem Fazit, dass Deutschland zwar vor strukturellen Herausforderungen steht, gleichzeitig aber über starke Forschungseinrichtungen und enormes Innovationspotenzial verfügt. Werden die politischen Weichen richtig gestellt, könnte das Land eine führende Rolle in der globalen Biotechnologie einnehmen.
Berlin Institute of Health in der Charité
Im Fokus: Forschungshemmnisse und -chancen in Deutschland. Eine aktuelle Bestandsaufnahme der Arbeitsgruppe Gentechnologiebericht, http://dx.doi.org/10.17169/refubium-48464





