Wälder nehmen Kohlenstoffdioxid (CO₂) aus der Atmosphäre auf, das sie für ihren Stoffwechsel einsetzen und in Biomasse umwandeln. Gesunde und wachsende Waldbestände wirken daher als Kohlenstoffsenke, die das klimaschädliche CO₂ aus der Atmosphäre langfristig speichern. Wälder sind in der EU die stärkste natürliche Kohlenstoffsenke der Landoberfläche; diese Funktion ist aber gefährdet: Die durchschnittliche Kohlenstoffsenke sank von 2020 bis 2022 um etwa 27 Prozent gegenüber dem Durchschnittswert der Jahre 2010 bis 2014. Dies besagt die von der Europäischen Umweltagentur im Jahr 2024 veröffentlichte EU-Treibhausgasinventur. Die neuen Werte für 2025 zeichnen ein noch düstereres Bild, mit einem noch stärkeren Rückgang der Senke. Wenn sich der Trend fortsetzt, wird die EU ihr Ziel aus der Verordnung 2018/841 verfehlen, bis 2030 zusätzlich 42 Mio. Tonnen CO₂-Äquivalente einzusparen, verglichen mit dem Durchschnittswert für den Zeitraum 2018 bis 2020.
Ursachen der schwächer werdenden Kohlenstoffaufnahme:
Von 1950 bis 2020 hatten die EU-Wälder ihre Biomasse mehr als verdoppelt, die Kohlenstoff-Senkenfunktion etwa verdreifacht. Gründe hierfür lagen u.a. in der Aufforstung nach den Kriegsjahren, der verbesserten Waldbewirtschaftung, neuen Energieträgern anstelle von Holz, und dem verstärkten Stickstoff-Eintrag.
Der nun gemessene Rückgang der Kohlenstoffaufnahme hat mehrere Ursachen. Die Holzernte hat zugenommen und der Klimawandel führt zu häufigeren Hitzewellen und Dürren, wodurch das Wachstum der Pflanzen beeinträchtigt wird. So verringerte sich die Biomasse der Bäume und damit deren Kapazität, Kohlenstoffdioxid aufzunehmen. Durch den Klimawandel werden außerdem sporadische Bedrohungen der Wälder durch Insektenbefall, Stürme, Baumsterben und Waldbrände immer häufiger und auch stärker. Verstärkend kommt hinzu, dass die EU-Wälder wenig widerstandsfähig sind: Etwa 30 Prozent bestehen aus Monokulturen, die anfälliger sind gegenüber klimatischen Einflüssen und Schädlingen.
Die genannten Faktoren belasten die Wälder in der EU und damit deren Funktion als Kohlenstoffsenke maßgeblich. „Unsere Forschung warnt seit der Hitzewelle 2003 vor diesen Auswirkungen des Klimawandels und der Klimaextreme. Jetzt bestätigt sich: Sie beeinträchtigen die Ökosysteme nicht nur kurzfristig, sondern schwächen langfristig die Kohlenstoffaufnahme unserer Wälder“, kommentiert Prof. Markus Reichstein vom Max-Planck-Institut für Biogeochemie in Jena, der maßgeblich an der Studie beteiligt war. Eine Schwächung der Kohlenstoffaufnahme tritt dabei auch in anderen Wäldern weltweit auf, wie am Max-Planck-Institut zum Beispiel für die tropischen Wälder im Amazonas erforscht wird.
Empfohlene Gegenmaßnahmen:
Die Folgen des Klimawandels auf die Kohlenstoffsenke erfordern Gegenmaßnahmen auf mehreren Ebenen: Die Reduzierung der Treibhausgasemissionen, eine Bewirtschaftung der Wälder, die sie widerstandsfähiger macht gegenüber künftigen Klimabedingungen und Wetterextremen, sowie eine Anpassung der Holzerntepraktiken. Zusätzlich benötigen wir eine bessere und zeitnahe Überwachung aller Kohlenstoffspeicher und des Gesundheitszustands unserer Wälder. Diese Messungen sollten zuverlässige Daten liefern, um die notwendigen politischen und praktischen Maßnahmen zur Wiederherstellung der Kohlenstoffsenken der Wälder und zur größtmöglichen Erhöhung ihrer Widerstandsfähigkeit zu entwickeln. „Sich nur auf natürliche Kohlenstoffsenken zu verlassen, ist aber riskant. Vielmehr gilt: Wer Emissionen reduziert, wird mehrfach belohnt – mit weniger Klimaextremen und dadurch auch mit Wäldern, die wieder mehr Kohlenstoff binden können“, schlussfolgert Reichstein.
Die Studie skizziert konkrete Maßnahmen in den Bereichen Waldüberwachung, Modellierung und Waldbewirtschaftung, um den Rückgang der Waldkohlenstoffsenke zu verhindern. Deren Umsetzung könnte sowohl das Renaturierungsgesetz der EU von 2024, als auch mehrere Verordnungen der EU sowie ihr Klimaneutralitätsziel konkret voranbringen. Neben der Forderung für integrierte Maßnahmen präsentiert die Studie einen begleitenden Forschungsfahrplan als Leitfaden für die benötigten politischen Entscheidungen. Wenn zeitnahe Vorschriften mit Anreizen für nachhaltige Praktiken kombiniert werden, kann die EU den Rückgang ihrer Wälder noch umkehren und ihren erwarteten Beitrag zur Klimaneutralität bis 2050 erhalten.
Max-Planck-Institut für Biogeochemie
Originalpublikation:
Migliavacca, M., Grassi, G., Bastos, A. et al. Securing the forest carbon sink for the European Union’s climate ambition. Nature643, 1203–1213 (2025). doi.org/10.1038/s41586-025-08967-3