VBIO

Mit dem VBIO nach Rumänien ins Donaudelta

25. April bis 2. Mai 2019

Um es gleich vorweg zu nehmen: Eine biologische Fachexkursion war diese Reise eigentlich nicht, dafür kamen die Ausflüge in die Natur zu kurz. Das wurde zwar bedauert, hat aber dem allgemeinen Wohlbefinden keinen Abbruch getan; der gemeinsame akademische Hintergrund wie auch die Erfahrungen aus einem langen Berufsleben haben alle Teilnehmer zu vielseitig interessierten, offenen und insbesondere wertschätzenden Menschen gemacht, die nach kurzer Zeit zu einer fröhlichen Gruppe zusammen gewachsen sind.

Für viele begann die Reise schon am Münchner Flughafen, wo Elke Weinhardt zum Ratsch bei einem Freigetränk ins Airbräu eingeladen hat. Die meisten kannten sich also schon, bevor sie in Bukarest (Bucureşti) von unserem stets gut gelaunten, überaus kompetenten und sehr fürsorglichen Reiseleiter Zoltan Nagy (ge­sprochen: Noit) in Empfang genommen wurden. Schnell erfuhren wir, dass – eine Woche nach den Feiertagen in Deutschland – schon wieder Ostern vor der Tür stand, weil in Rumänien die davon abweichende orthodoxe Terminierung gilt. Das sollte direkte Auswirkungen auf unsere Reise haben: Die gute Nachricht war, dass deshalb fast immer die Straßen frei waren für unseren modernen und stets vortrefflich chauffierten Bus, die schlechte, dass manche Programmpunkte, v. a. Instituts-Besichtigungen, ausfallen und andere verschoben werden mussten.

Mit einem fröhlichen Bună dimineaţa! (sprich: bunö dimineatsa) begrüßte uns Zoltan Nagy jeden Morgen und erzählte auf den teilweise sehr langen Busfahrten quer durchs Land interessant, didaktisch geschickt und auf beeindruckend hohem Sprachniveau viel von der Geschichte seines Landes. Früh lernten wir auch, den Ruf „Prost!“ strikt zu vermeiden (denn das bedeutet auf Rumänisch: dumm) und uns stattdessen noroc! anzugewöhnen. Jeder bekam ausreichend Gelegenheit, sein bisheriges Rumänienbild zu überprüfen und zu ergänzen. Wir erlebten ein Land im Umbruch, in dem viele prachtvolle Gebäude aus der Gründerzeit Ende des 19. Jahrhunderts und dem darauf folgenden Jugendstil vor sich hin verfallen, während gleich daneben bereits prächtig restaurierte Exemplare stehen. Solche Unterschiede zeigen sich auch auf den Straßen, wo sich Umengen teurer VW, Mercedes, BMW, Renault und Skoda tummeln, während der größere Teil der Bevölkerung von diesem Reichtum nichts abbekommt. Den Fluren sieht man die kommunistische Vergangenheit noch an: sehr große Feldflächen und nur wenige Feldgehölze. Im Lauf der Reise besuchten wir so manche Moschee und etliche rumänisch-orthodoxe Kirchen.

Von Bukarest aus ging es zunächst vorbei am einzigen Kernkraftwerk Rumäniens und streckenweise entlang des Schwarzmeerkanals, dessen Bau unter dem Diktator Ceaușescu einen hohen Blutzoll gefordert hatte, nach Constanţa (Konstanza) am Schwarzen Meer, wo es uns erheblich besser gefiel als dem römischen Dichter Ovid, der am Ende seines Lebens dorthin verbannt worden war. Mit großem Interesse entdeckten wir im Archäologischen Museum reiche Funde aus der Römerzeit, betrachteten mit Wohlwollen den gepflegten Zustand des kleinen Aquariums und erfreuten uns an einem kleinen Spaziergang auf der Strandpromenade, wo das dringend renovierungsbedürftige Jugendstil-Casino mit morbidem Charme an seine frühere Pracht erinnert.

Unser Hotel bezogen wir ein Stück weiter nördlich in Tulcea, wo wir tags darauf mit einem kleinen Boot einen viel zu kurzen Ausflug ins Donaudelta unternahmen. Zwar bekamen wir keine Pelikane zu Gesicht, dafür aber Mengen an fotogenen Seidenreihern und Kormoranen. Auch der seltenere Rallenreiher ließ sich blicken, aber den unbestrittenen Höhepunkt bildete eine große Kolonie von Eisvögeln, von denen über eine lange Strecke in rascher Folge immer wieder einer über den Kanal huschte wie ein bunt aufblitzender Edelstein. Das Museum des Donaudeltas ist hübsch eingerichtet für Besuchergruppen; wir Biologen fanden vor allem die riesigen lebenden Störe im Aquarium beeindruckend.

Am orthodoxen Ostersonntag besuchten wir auf unserer Fahrt nach Braşov (Kronstadt) in Transsilvanien, wie Siebenbürgen auch genannt wird, ein Weingut, in dem man uns an diesem hohen Feiertag aber keine einzige Flasche verkaufen wollte. Der Ostermontag war Besichtigungen gewidmet: zum Auftakt der anregende Vergleich zweier historischer Kirchenburgen in Tartlau (Prejmer) bzw. Honigberg (Hărman), danach die Schwarze Kirche in Braşov, relaxen auf dem wunderschönen, mild besonnten Rathausplatz und zum Abschluss der (vermeintlich) unvermeidliche Programmpunkt jeder Rumänienreise, die Törzburg bei Bran, genannt Schloss Dracula, ein reiner Touristenrummel.

Tags drauf ging es in die Karpaten nach Zarnesti in den Nationalpark Piatra Craiului, wo nicht nur unser kundiger Führer Hermann Kurmes es sehr bedauerte, dass für den Ausflug lediglich zwei Stunden angesetzt waren. Kein Wunder, dass uns kein Braunbär über den Weg lief, dafür aber immerhin drei prächtige Feuersalamander. Am Wegesrand blühten einige interessante Kräuter wie der gelb blühende Herzblättrige Beinwell (Symphytum cordatum) oder das Rote Lungenkraut (Pulmonaria rubra) – beide nur in Osteuropa vorkommend. Hier hatten wir kurz die einzige Gelegenheit, unsere Regenjacken und -schirme zu erproben. Auf der Rückfahrt nach Bukarest besuchten wir noch eine Sektkellerei, die uns an diesem einzigen vollen Werktag unserer Reise bereitwillig ihre Produkte verkaufte.

Der folgende Tag war schon wieder ein Feiertag: der 1. Mai. Trotzdem erklärte sich Prof. Dr. Catalin Dragomir freundlicherweise bereit, uns die Aufgaben des IBNA (Institute of Biology and Nutrition of Animals) ausführlich vorzustellen. Danach erkundeten wir Bukarests quirlige Altstadt.

Am Abreisetag besichtigten wir zunächst den größenwahnsinnigen Parlamentspalast, für den Ceaușescu einen großen der Teil Altstadt hatte abreißen lassen. Nach einem kurzen Besuch der Patriarchenkirche ließen wir unsere Reise in der Beschaulichkeit des Freilichtmuseums ausklingen, in dem viele historische Gebäude aus ganz Rumänien aufgebaut sind wie die unterschiedlichsten Gehöfte, einige Mühlen und auch einige der berühmten hölzernen Stabkirchen. Dass wir auf dem Heimflug ein wenig Verspätung hatten, lag sicher nicht an den dazu gewonnenen Kilos, die wir unter anderem den großartigen rumänischen Suppen zu verdanken hatten.

Thomas Nickl


Literatur

(von Walter Wells):

 

Das wohl immer noch Aktuellste zur Vegetation findet man in Horvat, I., V. Glavač & H. Ellenberg (1974): Vegetation Südosteuropas. - Geobotanica selecta 4; G. Fischer, Stuttgart, 768 S.

Das Donaudelta wird beschrieben in Kahl, Th. (2018): Natur und Mensch im Donaudelta. – Frank & Timme, Berlin 237 S.

Die Pflanzen (1852 Fotos !) in Siebenbürgen behandelt Speta, E. & L. Rákosy (2010): Wildpflanzen Siebenbürgens. – Plöchl, Freistadt, 624 S.