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ONE World – ONE Collection

Eine Welt, eine globale Sammlung
Eine Welt, eine globale Sammlung (c) Thomas Rosenthal

Weltweit eine Datenbank für die Bewältigung der Herausforderungen des 21. Jahrhunderts: Erstmalig verbindet eine internationale Initiative mehr als eine Milliarde naturkundlicher Objekte in wissenschaftlichen Sammlungen von 73 Museen in 28 Ländern. Sie zeigt auch: Es gibt dramatische Lücken. Die Ergebnisse sind in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Science veröffentlicht.

Wir wissen über die Erdoberfläche und den Ozean weniger als über den Mond. Es ist an der Zeit, das Wissen in den naturkundlichen Sammlungen weltweit gemeinsam zu heben und allen Menschen als wissenschaftliche Infrastruktur zur Verfügung zu stellen. Der erste Schritt dazu ist mit einer globalen Koalition von 73 Museen und Herbarien aus 28 Ländern getan. Das Museum für Naturkunde Berlin hat daran federführend mitwirkt.

Die Umfrage zeigt: Es schlummern 1,1 Milliarden Objekte und damit unglaublich viele, relevante Informationen in den 73 wissenschaftlichen Sammlungen. So wurden in Berlin die ältesten Nachweise für Viren(erkrankungen) in der Erdgeschichte gefunden – in einem Dinosaurier aus dem Jura von vor 150 Millionen Jahren und in einer eidechsenartigen Kreatur aus dem Perm vor 289 Millionen Jahren. Aber es gibt auch dramatische Lücken! Das zeigen die Ergebnisse der bislang einmaligen Untersuchung der globalen Koalition, die in der aktuellen Ausgabe von Science. veröffentlicht sind (Link).

Die wissenschaftlichen Sammlungen bewahren das Basiswissen über vergangene Welten, das es der Menschheit ermöglicht, zukünftige Bedingungen vorherzusagen und sich darauf vorzubereiten. „Naturkundliche Sammlungen sind die Versicherungspolice der Menschheit. Obwohl die Gesamtsammlung wirklich sehr umfangreich ist, hat die Studie auch gezeigt, dass es in den Museumssammlungen auffällige Lücken gibt. Das sollte uns anspornen, diese gemeinsam und zügig zu schließen.

Unser Zentrum für integrative Biodiversitätsentdeckung wird weiterhin gezielt dazu beitragen, mittels KI und robotergestützt weltweit unbekannte Arten effizient zu entdecken und zu erforschen“, sagt Professor Johannes Vogel, Generaldirektor des Museums für Naturkunde Berlin. Die Lücken betreffen die Tropen ebenso wie die Polarregionen, den Ozean ebenso wie die Süßwasser-Systeme. Die Vielfalt von Gliederfüßern und Mikroorganismen – und damit ein Großteil des Lebens auf der Erde – ist schlicht unentdeckt.

„Es muss also nicht nur das Wissen aus den Sammlungen leicht zugänglich gemacht und fair nutzbar sein, wir brauchen auch eine gemeinsame, globale Strategie, um die Lücken im taxonomischen, geografischen, stratigrafischen und kulturellen Verständnis der natürlichen Welt zügig zu schließen“, betont Johannes Vogel. Daran arbeiten die drei naturkundlichen Forschungsmuseen der Leibniz-Gemeinschaft Berlin, Bonn und Frankfurt, die auch Mitglied der globalen Koalition der 73 Museen und Herbarien aus 28 Ländern sind, zusammen. Unser Ziel: Eine Welt – eine Sammlung – eine gute Zukunft für alle Lebewesen.

Global Collection Highlights – Zentrale Aussagen

Naturkundemuseen besitzen wissenschaftliche Sammlungen, die in einzigartiger Weise in der Lage sind, auf die heutigen, miteinander verbundenen Krisen zu reagieren. Die Sammlungen bewahren das Basiswissen über vergangene Welten, das es der Menschheit ermöglicht, zukünftige Bedingungen vorherzusagen und sich darauf vorzubereiten.

Die in den letzten 300 Jahren gesammelten Objekte und Exemplare, von denen viele Tausende bis Millionen von Jahren zurückreichen, sind von unmittelbarer Bedeutung für so unterschiedliche Themen wie den Schutz von Wildtieren, die Vorbereitung auf Pandemien, Ernährungsunsicherheit, invasive Arten und den Verlust der biologischen Vielfalt. Und doch gibt es keinen zentralen Katalog der Bestände dieser Einrichtungen.

Es ist erstaunlich, dass ein solcher Katalog nicht existiert, und ebenso schwierig, sich die Größe der Aufgabe vorzustellen. Die 73 Museen und Herbarien aus 28 Ländern, die an einer kürzlich vom National Museum of Natural History und dem American Museum of Natural History in Zusammenarbeit mit einem Konsortium von Museen und Wissenschaftlern durchgeführten Umfrage teilgenommen haben, besitzen zusammen 1,1 Milliarden Objekte, die von etwa 4 500 wissenschaftlichen Mitarbeitern und 4 000 Freiwilligen verwaltet werden. Die meisten dieser Materialien sind nicht erschlossen, d. h. nur 16 Prozent der Sammlungen verfügen über digital auffindbare Datensätze.

Die Organisatoren schufen einen gemeinsamen Rahmen von 19 Sammlungstypen für 16 geografische Regionen mit 304 verschiedenen Zellen, die Sammlungskategorien erfassen. Die 19 Sammlungstypen umfassen biologische, geologische, paläontologische und anthropologische Sammlungen und 16 terrestrische und marine Regionen, die die gesamte Erde abdecken. Das Projekt wird in einem kürzlich (23. März 2023) in der Zeitschrift Science erschienenen Artikel mit dem Titel "A Global Approach for Natural History Museum Collections" erläutert.

In der ersten Phase dieser Initiative wurden die Bestände der 73 größten Museen der Welt bewertet; in Zukunft sollen auch die Hunderte von kleineren Museen einbezogen werden. Die Summe der Sammlungen der 73 Museen ist riesig, aber die Untersuchung hat gezeigt, dass es auffällige Lücken in Bezug auf tropische und polare Regionen, marine Systeme und unentdeckte Arthropoden- und mikrobielle Vielfalt gibt. Neben der Ausweitung der Erhebung auf kleinere Bestände soll dieser Rahmen genutzt werden, um die Digitalisierung zu beschleunigen und, wo möglich, die genomische Sequenzierung zu erleichtern, um eine koordinierte globale Strategie für die künftige Verwaltung und faire Nutzung der weltweiten Sammlung zu schaffen, die die Lücken im taxonomischen, geografischen, stratigrafischen und kulturellen Verständnis der natürlichen Welt schließt.

Museum für Naturkunde Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung


Originalpublikation:

Kirk R. Johnson , Ian F. P. Owens, and the Global Collection Group: A global approach for natural history museum collections, Science, DOI: 10.1126/science.adf6434