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Neues CRISPR-Verfahren hilft, Zellfunktionen besser zu verstehen

Frau an einer Laborbank
Zellkulturarbeiten in der Abteilung Molekulare Biochemie. Copyright: Universität Stuttgart / Institut für Biochemie

CRISPR/Cas9 wurde 2020 mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet. Das als „Genschere“ bekannte Verfahren ermöglicht es unter anderem, besser zu verstehen, wie menschliche Zellen funktionieren und gesund bleiben. Für diesen Zweck haben Forschende der Universität Stuttgart CRISPR weiterentwickelt. In der Fachzeitschrift „Cell Reports Methods“ stellen sie ihr Verfahren CRISPRgenee vor. 

Zellen ermöglichen alle lebenswichtigen Funktionen des menschlichen Körpers – von der Energieproduktion über den Aufbau von Gewebe bis zur Abwehr von Krankheiten. Für die Steuerung der Zellfunktion spielen unsere Gene eine zentrale Rolle: Je nachdem, welche Gene in einer Zelle gerade an- oder ausgeschaltet sind, werden unterschiedliche zelluläre Prozesse angeregt. „Meine Arbeitsgruppe erforscht, wie Zellen die Kontrolle über ihre Gene behalten und so einen gesunden Zellzustand etablieren und erhalten“, sagt PD Dr. Phillip Rathert, Akademischer Rat und Gruppenleiter am Institut für Biochemie der Universität Stuttgart. „Insbesondere beschäftigen wir uns mit Proteinen, die an Chromatin, die Verpackungsform unserer DNA im Zellkern, gebunden sind. Wir untersuchen, wie diese Proteine miteinander interagieren, um Gene zum richtigen Zeitpunkt ein- oder auszuschalten.“

Um das herauszufinden, führen Rathert und sein Team im Labor sogenannte Genetische Loss-of-Function (LOF)-Analysen durch: „Wir schalten gezielt einzelne Gene oder Proteine in der Zelle aus, um die Auswirkungen dieses Funktionsverlusts auf die Zelle zu verstehen. Das erlaubt uns Rückschlüsse darauf, welche Rolle das fehlende Gen und das darin kodierte Protein normalerweise spielen.“ 

Neuartiges Analyseverfahren: CRISPRgenee 

Um LOF-Analysen durchzuführen, braucht man modernste biotechnologische „Werkzeuge“. Eines dieser Werkzeuge ist CRISPR/Cas9, eine Methode, mit der Wissenschaftler*innen gezielt und sehr präzise Gene verändern können – ähnlich wie mit einer Schere, die DNA an bestimmten Stellen schneidet. Das wirft einerseits grundlegende ethische Fragestellungen auf, bietet aber auch großen Nutzen für Forschung und Medizin. 

Etwa, wenn es darum geht, mithilfe von LOF-Analysen besser zu verstehen, wie menschliche Zellen funktionieren und gesund bleiben. „Unsere Erkenntnisse in der sogenannten Grundlagenforschung kommen vor allem der medizinischen Forschung zugute, sie helfen zum Beispiel, die Ursachen von Krankheiten wie Krebs besser zu verstehen oder neue Ansätze für personalisierte Therapien zu finden“, sagt Philipp Rathert. 

Philipp Rathert und seinem Team ist es gelungen, ein neuartiges CRISPR-Verfahren zu entwickeln, das LOF-Analysen deutlich effizienter und reproduzierbarer macht: CRISPRgenee. „CRISPRgenee kombiniert zwei Mechanismen: das Abschalten und das Zerschneiden eines Zielgens und dies gleichzeitig in derselben Zelle. Dadurch ist die Methode besonders wirksam bei Genen, die sich mit herkömmlichen Verfahren nur schwer ausschalten lassen, und eignet sich auch für die Untersuchung komplexer zellulärer Steuerungsprozesse“, so Jannis Stadager, Erstautor der entsprechenden Studie und Doktorand in der Arbeitsgruppe von Philipp Rathert. „Mithilfe von CRISPRgenee lassen sich zudem nicht nur einzelne Gene effizienter und schneller ausschalten, die Methode ermöglicht auch kombinatorische Analysen von zwei verschiedenen Genen gleichzeitig. Das ermöglicht eine präzisere und robustere Aufklärung von zellulären Zusammenhängen.“

Veröffentlichung in der Fachzeitschrift „Cell Reports Methods“

In enger interdisziplinärer Zusammenarbeit mit Jun. Prof. Franziska Traube vom Institut für Biochemie, Prof. Dr. Stefan Legewie vom Institut für Biomedizinische Genetik und Prof. Steven Johnsen vom Robert Bosch Centrum für Tumorerkrankungen haben die Forschenden CRISPRgenee in verschiedenen biologischen Systemen eingesetzt, von der Zellproliferation über die epithelial-mesenchymale Transition bis hin zur neuronalen Differenzierung in humanen iPS-Zellen. In der Fachzeitschrift „Cell Reports Methods“ stellen sie ihr Verfahren CRISPRgenee vor und berichten über ihre Ergebnisse.

Universität Stuttgart


Originalpublikation:

Stadager J, Bernardini C, Hartmann L, May H, Wiepcke J, Kuban M, Najafova Z, Johnsen SA, Legewie S, Traube FR, Jude J, Rathert P.: CRISPR GENome and epigenome engineering improves loss-of-function genetic-screening approaches. Cell Rep Methods. 2025 Jun 16;5(6):101078. doi: 10.1016/j.crmeth.2025.101078. Epub 2025 Jun 10. PMID: 40499551. Link zur Publikation

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