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Augen nach Maß

Augen einer Kürbisspinne
Augen einer Kürbisspinne, Araniella cucurbitina (c) Kaylin Chong

Wie Spinnen ihr Augenwachstum der meist vier verschiedenen Augenpaare regulieren, wurde erstmals von Forschenden des Museums für Naturkunde Berlin, der University of Oxford und der Harvard University untersucht. Die Forschenden fanden heraus, dass Spinnen das Wachstum der Augenpaare kontrollieren und nach Bedarf anpassen können. Diese Entdeckung veranlasste sie zu untersuchen, wie sich die verschiedenen Augenpaare bei Spinnen über 400 Millionen Jahre hinweg entwickelt haben.

Viele Tiere – und auch wir Menschen – haben zwei gleich große Augen. Größere Augen sind oft empfindlicher und besser in der Lage, feine Details zu erkennen. Viele Arten werden mit überproportional großen Augen geboren, um dieses detaillierte Sehen von klein auf zu ermöglichen. Dies geht jedoch mit einem höheren Energieaufwand einher, sodass das Verhältnis zwischen Augengröße und Körpergröße insgesamt sorgfältig ausbalanciert werden muss; und zwar sowohl während der Lebenszeit eines Individuums als auch während der Evolution einer Art. 

Wir wissen, dass die Augen im Allgemeinen bei Arten größer sind, die sich stärker auf ihr Sehvermögen verlassen, um zu jagen, zu kommunizieren und Raubtiere aufzuspüren. Insbesondere ist das bei Arten der Fall, die dies in der Dunkelheit tun. Aber was passiert, wenn ein Individuum mehr als ein Augenpaar hat und diese Augen unterschiedlich groß sind? Eine neue Studie, die in Current Biology veröffentlicht wurde und von Forschenden des Museums für Naturkunde Berlin, der University of Oxford und der Harvard University geleitet wird, hat diese Frage zum ersten Mal bei Spinnen untersucht.

Die meisten Spinnen haben vier Augenpaare, die sich in ihrer Größe und ihren Fähigkeiten erheblich unterscheiden können: von sehr einfachem Erkennen von Licht und Dunkelheit bis hin zu hochauflösendem Farbsehen. Diese Merkmale wurden in der Vergangenheit verwendet, um verschiedene Spinnenfamilien zu identifizieren, aber ihre Verwandtschaft und Evolutionsgeschichte wurden bisher nicht im Detail untersucht.

Die Forschenden versuchten zunächst zu entschlüsseln, wie das Wachstum der verschiedenen Augenpaare bestimmt wird. Dazu vermaßen sie die Augen und Körper von mehr als 1.000 Spinnen aus den Sammlungen des Naturkundemuseums der Universität Oxford. Während Arten, die ihr Sehvermögen zur Jagd einsetzen, in der Regel schon früh im Leben größere Augen haben, waren die Autor:innen überrascht, dass verschiedene Augenpaare innerhalb dieser Arten unterschiedlich schnell wachsen können. Augen, die zur Jagd, zur Kommunikation und zu anderen wichtigen Verhaltensweisen beitragen, waren nicht nur größer als Augen, die dies nicht taten, sondern schienen auch in Bezug auf ihre Größe und ihr Wachstum stärker kontrolliert zu werden. 

"Die Fähigkeit, das Wachstum bestimmter Augenpaare zu kontrollieren und anzupassen, birgt ein großes evolutionäres Potenzial", erklärte Dr. Lauren Sumner-Rooney, Letzt-Autorin der Studie und Gruppenleiterin des MutliplEye Labs am Museum für Naturkunde Berlin. "Arten, die ein qualitativ hochwertiges Sehvermögen benötigen, können in ein oder zwei Augenpaare investieren, ohne dass sie für die anderen Augen zu viel Energie ausgeben müssen." Diese Entdeckung veranlasste die Forschenden, genauer zu untersuchen, wie sich die verschiedenen Augenpaare bei Spinnen über 400 Millionen Jahre hinweg entwickelt haben.

Sie fanden heraus, dass dieser modulare Ansatz für das Sehsystem im Laufe der Zeit von vielen Spinnengruppen genutzt wurde, wobei mehrere ökologische Faktoren eine Rolle spielten. Die Forschenden stellten fest, dass visuelle Jäger im Allgemeinen größere und variablere Augen haben, dass Netzbauer eine einheitlichere Augengröße haben und dass die untere Grenze für die Augengröße bei nachtaktiven Arten größer ist. Tiere, die ihre Beute mit Hilfe des Sehvermögens aktiv verfolgten, wiesen ebenfalls eher große Augen auf als solche, die sie aus einem Versteck heraus erbeuteten. Das deutet darauf hin, dass die Verfolgung eine visuell anspruchsvollere, aber energetisch lohnende Aufgabe ist. 

Die Studie ist die erste, die sich auf diese Weise mit der Evolution eines modularen Sehsystems befasst. Sie könnte auch Auswirkungen auf andere Tiere mit vielen Augen haben, darunter Insekten, Weichtiere und Würmer. Kaylin Chong, Hauptautorin der Studie, erklärte: "Da sich viele frühere Forschungsarbeiten auf Tiere mit einem einzigen Augenpaar konzentrierten, wollten wir eine neue vergleichende Perspektive bieten, indem wir die Welt durch die vielen Augen einer Spinne untersuchten. Dies ermöglicht neue Einblicke in die allometrischen Beziehungen in und zwischen diesen modularen visuellen Systemen."

Museum für Naturkunde Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung


Originalpublikation:

Chong, Kaylin L. et al.: Allometry and ecology shape eye size evolution in spiders, Current Biology 2024, https://doi.org/10.1016/j.cub.2024.06.020