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Neue Art der Genschere entdeckt

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Wie ein Schweizer Taschenmesser: Ein neu entdeckter Baustein der bakteriellen Immunabwehr legt infizierte Zellen lahm. Er könnte die molekularbiologische Diagnostik voranbringen.

Auch Bakterien können von Viren befallen werden, und sie haben für diesen Fall eigene Immunabwehrstrategien entwickelt. Bakterielle Abwehrsysteme wie CRISPR-Cas verfügen über verschiedene Proteine und Funktionen, die den Bakterien helfen, sich gegen Eindringlinge zu schützen.

Die Abwehr basiert auf einem gemeinsamen Grundmechanismus: Eine CRISPR-Ribonukleinsäure (crRNA), die als "Leit-RNA" dient, hilft dabei, Regionen eines fremden Genoms, etwa die DNA eines Virus, zu erkennen, um sie gezielt unschädlich zu machen. Die von einer crRNA geleitete Nuklease kann ihr Ziel wie eine Schere zerschneiden. Das ist eine Strategie der Natur, die sich der Mensch technologisch auf vielfältige Weise zunutze gemacht hat.

„Wenn man bedenkt, wie gut verschiedene Nukleasen in neue und verbesserte Technologien umgesetzt wurden, dann könnte jede Entdeckung auf diesem Gebiet neuen Nutzen für die Gesellschaft bringen“, beschreibt Professor Chase Beisel eine Forschungsmotivation seines Labors am Würzburger Helmholtz-Institut für RNA-basierte Infektionsforschung (HIRI). Die Einrichtung ist ein Standort des Braunschweiger Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung in Kooperation mit der Julius-Maximilians-Universität, der Chase Beisel als Leiter des Lehrstuhls für synthetische RNA-Biologie angehört.

Eine komplett neue Art der CRISPR-Immunabwehr
Den Forschenden gelang nun eine unerwartete Entdeckung. Chase Beisel hat mit Matthew Begemann von Benson Hill, Inc. (Missouri), und Ryan Jackson von der Utah State University in den USA eine Nuklease gefunden, genannt Cas12a2, die eine gänzlich neue Art der CRISPR-Immunabwehr darstellt. Die Ergebnisse sind im Journal Nature publiziert. Begleitet werden sie von einer weiterführenden strukturellen Analyse, die ein zweites Team unter der Leitung von Ryan Jackson und David Taylor (University of Texas) vorgenommen hat.

„Wir haben CRISPR-Nukleasen erforscht, die ursprünglich unter Cas12a subsumiert wurden, also unter Nukleasen, die Bakterien vor Eindringlingen schützen, indem sie invasive DNA erkennen und spalten. Als wir jedoch mehr von diesen Nukleasen identifiziert hatten, zeigten sich so viele Unterschiede, dass es sich lohnte, tiefer in die Materie einzusteigen”, berichtet Oleg Dmytrenko, Erstautor der Studie. „Dabei entdeckten wir, dass sich diese Nukleasen, die wir Cas12a2 nannten, nicht nur ganz anders verhalten als Cas12a, sondern auch als jede andere bekannte CRISPR-Nuklease.“

Anders als jede andere bekannte CRISPR-Nuklease

Der entscheidende Unterschied: Wenn Cas12a2 invasive RNA erkennt, spaltet die Nuklease diese, kann aber auch andere RNA und DNA in der Zelle schädigen. Das beeinträchtigt deren Wachstum und dämmt die Infektion ein. Grundsätzlich seien solche sogenannten abortiven Infektionsabwehrstrategien (Abi) von Bakterien bereits bekannt, meint HIRI-Postdoc Dmytrenko.

Auch einige andere CRISPR-Cas-Systeme funktionierten auf diese Weise. „Ein CRISPR-basierter Abwehrmechanismus, der sich auf eine einzige Nuklease stützt, um den Eindringling zu erkennen und zelluläre DNA und RNA abzubauen, wurde jedoch noch nie beobachtet“, sagt der Wissenschaftler. Cas12a2 kann für die molekulare Diagnostik und den direkten Nachweis von RNA-Biomarkern verwendet werden, wie ein Machbarkeitsbeweis ergeben habe.

Universität Würzburg


Originalpublikationen:

Dmytrenko, O., Neumann, G.C., Hallmark, T. et al. Cas12a2 elicits abortive infection through RNA-triggered destruction of dsDNA. Nature (2023). https://doi.org/10.1038/s41586-022-05559-3

Bravo, J.P.K., Hallmark, T., Naegle, B. et al. RNA targeting unleashes indiscriminate nuclease activity of CRISPR–Cas12a2. Nature (2023). https://doi.org/10.1038/s41586-022-05560-w