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Lücken in der Ozeanbeobachtung schließen: Dringende Empfehlungen der europäischen Meeresforschungsgemeinschaft

Ozean und Messboje
Messungen im offenen Ozean: Nach wie vor sind Forschungsschiffe die wichtigsten Plattformen für die Ozeanbeobachtung - ob ferngesteuerte Unter­wasserfahrzeuge, autonome Tiefseedrohnen, oder am Meeresboden verankerte Systeme zur Langzeit­erfassung - sie alle werden von Forschungsschiffen aus eingesetzt. Foto: Mario Müller, GEOMAR

Die europäischen Meeresforscher:innen plädieren dringend für eine Verbesserung der Ozeanüberwachung. Ein Appell, der sich auch an die internationale Gemeinschaft richtet, die sich von heute an in Baku zur Weltklimakonferenz COP29 trifft. Um den Ozean als wichtigen Partner im Kampf gegen den Klimawandel zu erhalten, sei es notwendig, seinen Zustand umfassend zu überwachen. Darauf weisen die Forschenden in zwei Berichten hin, die die Lücken und Herausforderungen beschreiben, aber auch Lösungen aufzeigen, wie Überwachung und Schutz europäischer Meere verbessert werden können.

Ein gesunder Ozean bildet die Grundlage für vieles, was unser Leben prägt. Er versorgt uns mit Sauerstoff und Nahrung und bietet Lebensraum für unzählige Arten – vor allem aber wirkt er wie ein Puffer gegen den Klimawandel, indem er große Mengen CO2 und überschüssige Wärme absorbiert. Doch dem Ozean geht es schlecht. Verschmutzung, Versauerung, Überfischung und die zunehmende Erwärmung setzen ihm zu und beeinträchtigen seine Fähigkeit, das Klima zu stabilisieren. Um den Ozean als Klimapartner zu erhalten, ist es daher wichtig, seinen Zustand möglichst umfassend und gut koordiniert zu überwachen.

Lücken in der Ozeanbeobachtung: Technologische und finanzielle Defizite

Die Mitglieder des EU-Projekts EuroSea haben die Ozeanbeobachtung in Europa unter die Lupe genommen. In ihren beiden kürzlich erschienenen Berichten „Urgent gaps and recommendations to implement during the UN Ocean Decade“ und „Towards a sustained and fit-for-purpose European ocean observing and forecasting system“ werden die gravierendsten Lücken in der Überwachung von mariner Biodiversität, invasiven Arten und Ozeanphänomenen wie der Erwärmung und dem Anstieg des Meeresspiegels identifiziert. Viele dieser Lücken entstehen demnach durch technologische Defizite oder durch unzureichende Finanzierung.

„Wir brauchen dringend eine nachhaltigere und effektivere Ozeanbeobachtung, um Veränderungen im Zustand der Ozeane zu verfolgen und die Auswirkungen des Klimawandels abzumildern“, sagt Dr. Toste Tanhua, Chemischer Ozeanograph am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und Leiter des nun abgeschlossenen Projekts EuroSea, aus dem die beiden Berichte hervorgegangen sind. Er nimmt selbst an der heute beginnenden UN-Weltklimakonferenz COP29 in Baku teil und wird dort dem Thema Ozeanbeobachtung auf internationaler Ebene seine Stimme leihen. Im Ocean Pavilion, an dem sich das GEOMAR in diesem Jahr als Partner beteiligt, diskutiert er auf einem Panel über die Beteiligung von nicht-wissenschaftlichen Akteur:innen, wie etwa Segler:innen, an der Ozeanbeobachtung.

In ihren Positionspapieren unterstreichen die Wissenschaftler:innen die Notwendigkeit, die Datensammlung zu verbessern, innovative Technologien wie Umwelt-DNA und mehr autonome Geräte einzusetzen sowie die internationale Zusammenarbeit zu stärken. Besonders hervorgehoben wird die Förderung der langfristigen Finanzierung und die Schaffung zentraler Koordinationsstellen, um die Effektivität der Meeresbeobachtung langfristig zu sichern.

„Die Empfehlungen, die wir gemeinsam erarbeitet haben, richten sich sowohl an die wissenschaftliche Gemeinschaft als auch an politische Entscheidungsträger und die Industrie“, sagt Dr. Tanhua. „Die Herausforderungen sind groß, aber die Lösungen, die wir vorschlagen, bieten klare Handlungsansätze. Wir müssen möglichst umfassende Informationen generieren, um marine Ökosysteme besser zu verstehen und besser schützen zu können. Das ist ein ganz wichtiger Baustein in den Bemühungen, die Klimakrise abzumildern. Zwar reduziert die Beobachtung allein nicht die Auswirkungen des Klimawandels, doch sie ermöglicht uns, zu verstehen und geeignete Maßnahmen vorzuschlagen. Denn: Man kann nur managen, was man auch messen kann.“

Empfohlene Maßnahmen zur Verbesserung der Ozeanbeobachtung

Beispielswiese wird empfohlen, umfassende Programme zur Überwachung der marinen Biodiversität zu entwickeln. Insbesondere der Einsatz innovativer Technologien wie Umwelt-DNA (eDNA) könnte dazu beitragen, invasive Arten frühzeitig zu identifizieren und die Datensammlung zu verbessern.

Der Einsatz autonomer Geräte (z.B. Argo-Floats und Sensoren) sollte erhöht werden, um die Daten von Satelliten zu validieren und die Beobachtung des tiefen Ozeans zu verbessern. Dies ist besonders wichtig für schwer zugängliche extrem kalte Regionen.

Weiterhin sollten einheitliche Verfahren zur Überwachung von Eutrophierungsindikatoren wie Nährstoffkonzentrationen und Sauerstoffgehalt entwickelt werden, um die negativen Auswirkungen menschlicher Aktivitäten auf die Meeresumwelt besser zu überwachen und zu reduzieren.

Gerade in Gebieten mit hohem Nährstoffeintrag sollte der Einsatz von autonomen Sensoren gefördert werden. Diese Systeme ermöglichen eine kontinuierliche Überwachung von Algenblüten und der Versauerung der Ozeane.

Empfehlungen für die Koordination und das Management der Ozeanbeobachtung

Eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Ländern und Akteuren wird empfohlen, um die Überwachungsstrategien zu harmonisieren und den Austausch von Daten zu erleichtern. Für die Koordination braucht es eine verantwortliche Stelle, die für das Management und die strategische Planung der Ozeanbeobachtungsaktivitäten verantwortlich ist. Diese Struktur würde die Effizienz fördern und länder- und disziplinenübergreifende Kooperationen erleichtern.

Um sicherzustellen, dass die Ozeanbeobachtungssysteme nachhaltig arbeiten und kontinuierlich aktualisiert werden können, sollte vor allem eine Finanzierungsstrategie für langfristige Beobachtungsprogramme entwickelt werden. „Unsere Forschungsförderungsstrukturen unterstützen – völlig zu Recht – die Generierung von Wissen, nicht aber das Monitoring“, erklärt Dr. Abed El Rahman Hassoun, Erstautor des ersten Positionspapiers. „Um diese Lücke zu schließen, bräuchte es eine bereichsübergreifende Zusammenarbeit und Kofinanzierung zwischen verschiedenen Ministerien. Dies ist ein Problem, das wir nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern der EU sehen.“

GEOMAR


Originalpublikationen:

Hassoun A.E.R., Tanhua T., Lips I., Heslop E., Petihakis G. and Karstensen J. (2024) The European Ocean Observing Community: urgent gaps and recommendations to implement during the UN Ocean Decade. Frontiers in Marine Sciences. 11:1394984.
https://doi.org/10.3389/fmars.2024.1394984

Tanhua T , Le Traon P-Y , Köstner N et al. (2024) Towards a sustained and fit-for-purpose European ocean observing and forecasting system Frontiers in Marine Science. 11:1394549.
https://doi.org/10.3389/fmars.2024.1394549