Mit den Ergebnissen lässt sich zumindest teilweise erklären, warum allergische Beschwerden so häufig in einer Art Placebo-Reaktion ohne Vorhandensein des Allergens beobachtet werden. Für seine Studie rekrutierte das Forschungsteam Probanden mit allergischem Schnupfen, die in einem neutralen Versuchsraum durch Verabreichung eines Nasensprays mit ihrem jeweiligen Allergen wie Gräser- oder Birkenpollen konfrontiert wurden. Die Stärke der bei allen Probanden auf-tretenden allergischen Reaktion wurde jeweils über die Menge eines bestimmten Enzyms im Nasensekret gemessen. Die Hälfte der Probanden ging nach diesem Experiment für acht Stunden schlafen, die zweite Hälfte musste bis zum kommenden Abend wach bleiben. Eine Woche darauf wurde das Experiment im selben Versuchsraum wiederholt – nur dass dieses Mal keine Allergene verabreicht wurden. „Die Probanden reagierten schon kurz nach Betreten des Versuchsraums mit allergischem Schnupfen. Allerdings nur die aus der Schlafgruppe“, sagt Besedovsky. Weder hätten die Versuchsteilnehmer der Wachgruppe allergisch auf die Rückkehr in den Versuchsraum reagiert noch hätte ein anderer Ort, an den die Probanden der Schlafgruppe in der zweiten Woche geführt wurden, eine solche Wirkung gehabt.
Schneller Lernprozess
„Wie bei klassischen Lernprozessen aus anderen Zusammenhängen spielte die Schlafphase in un-serer Studie eine entscheidende Rolle. Nur so verknüpfte das Gehirn eine bestimmte Umgebung fest mit einer allergischen Reaktion“, sagt Jan Born. Dies sei der erste Beleg dafür, dass allein ein bestimmter Ort eine allergische Reaktion auslösen kann. Die Forscher gehen davon aus, dass an der Konditionierung durch die Umwelt, wie bei vielen Gedächtnisprozessen, die Hirnstruktur des Hippocampus beteiligt ist. Dieser arbeite schlafabhängig.
„Erstaunlich ist, wie schnell das Immunsystem die fehlangepasste Reaktion erlernt. Im Experiment genügte eine einzige Allergengabe, um die allergische Reaktion mit der Umgebung zu verknüpfen“, setzt Besedovsky hinzu. Dass dieser Lernmechanismus entschlüsselt werden konnte, helfe sowohl der Allergie- als auch der Schlafforschung. Jedoch seien einfache Schlussfolgerungen zur Verbes-serung der Situation von Allergikern schwierig, da man auf Schlaf nicht verzichten könne – zumal dieser sich positiv auf andere, hilfreiche Immunreaktionen auswirke.
Universität Tübingen
Originalpublikation:
Luciana Besedovsky, Mona Benischke, Jörg Fischer, Amir S. Yazdi, Jan Born: Human sleep consolidates allergic responses conditioned to the environmental context of an allergen exposure. Proceedings of the National Academy of Sciences, 4. Mai 2020.
https://dx.doi.org/10.1073/pnas.1920564117.