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Kortikalreaktion bei Pflanzen

Die Eizelle (l.) produziert ein Kortikalnetzwerk am oberen Pol, welches gelb-markierte Endopeptidasen enthält. Der Golgi-Apparat der Eizelle ist rot markiert. Rechts eine Drüsenzelle (Synergide), die Pollenschlauchanlockungsproteine sekretiert. Foto: Dr. Andrea Bleckmann Universität Regensburg

Forschende aus Regensburg und Wuhan haben einen Mechanismus entdeckt, wie Pflanzen verhindern, dass Eizellen von mehreren Spermazellen befruchtet werden.

Pflanzen und Tiere haben Mechanismen entwickelt, die regulieren, dass eine Eizelle nur von einer Spermazelle bzw. eines Spermiums befruchtet wird. Dringen mehrere Spermien in die Eizelle ein (Polyspermie) kommt es in der anschließenden Embryonalentwicklung in der Regel zu Fehlbildungen. Dann wird der Embryo abgestoßen oder stellt das Wachstum ein und stirbt. Bei Tieren wird durch eine sog. Kortikalreaktion der befruchteten Eizelle eine Befruchtungsmembran gebildet, die das Eindringen weiterer Spermien und somit Polyspermie verhindert. Bei Blütenpflanzen ist der Befruchtungsvorgang besonders komplex: Spermazellen sind unbeweglich und werden in Pollenkörnern geschützt, oft durch Wind oder Insekten transportiert. Treffen Pollenkörner auf geeignete weibliche Blütenorgane, keimen sie aus und bilden einen Schlauch, der tief in mütterliche Gewebe eindringt, zum Eiapparat wächst und dort seine Spermazellladung entlässt. Um bei der anschließenden Befruchtung Polyspermie zu verhindern, wird bereits vorher reguliert, dass nur ein Pollenschlauch zum Eiapparat gelangt.


Ein Forschungsteam am Lehrstuhl für Zellbiologie und Pflanzenbiochemie um Professor Dr. Thomas Dresselhaus arbeitet bereits seit vielen Jahren unter anderem an den molekularen Mechanismen der Pollenschlauchkeimung, des Pollenschlauchwachstums und dessen Anlockung sowie der Spermazellfreisetzung im Eiapparat und den sich anschließenden Befruchtungsmechanismen. In einer Kooperation mit Wissenschaftlern:innen aus Japan entdeckten sie so bereits vor über 10 Jahren kleine Proteine , die vom Eiapparat ausgeschleust werden und der Anlockung von Pollenschläuchen dienen. Die jetzige Entdeckung beruht auf Forschungsarbeiten im Sonderforschungsbereich (SFB) 960, in dem Professor Dresselhaus unter anderem den befruchtungsinduzierten Abbau von sog. Boten-mRNAs für eizellspezifische Proteine untersucht. Zwei dieser Boten-mRNAs erzeugen sog. Endopeptidasen, die nach Befruchtung in großen Mengen von der Eizelle ausgeschieden werden. In Kooperation mit Forschern:innen der Universität Wuhan (China) konnten sie jetzt zeigen, dass diese Endopeptidasen oben beschriebene Pollenschlauch-Anlockungsproteine spalten und somit inaktivieren. Es werden dadurch keine weiteren Pollenschläuche angelockt und Polyspermie wird verhindert.

„Entdeckt haben wir die eizellspezifischen Endopeptidasen in Regenburg bereits vor über 14 Jahren, hatten aber damals nicht die technischen Möglichkeiten, herauszufinden, wozu sie gut sind“, erläutert Zellbiologe Dresselhaus. Angeregt durch Arbeiten im SFB und mit Hilfe neuer Laser Scanning-Fluoreszenzmikroskope ließ sich jetzt nicht nur die Freisetzung der Endopeptidasen nach Befruchtung beobachten. Dabei entdeckte Dr. Andrea Bleckmann auch eine völlig neue zelluläre Struktur am oberen Pol der unbefruchteten Eizelle: ein Kortikalnetzwerk. „Ähnlich der Kortikalreaktion bei Tieren enthält das Netzwerk Endopeptidasen, die nur nach erfolgreicher Befruchtung mit einer Spermazelle ausgeschleust werden und zu einem schnellen Block der Anlockung weiterer Pollenschläuche führt“, erläutert Dr. Bleckmann: „Indirekt wird durch diese kortikalähnliche Reaktion Polyspermie bei Pflanzen verhindert.“
(Universität Regensburg)


Originalpublikation:

Yu, X., Zhang, X., Zhao, P. et al. Fertilized egg cells secrete endopeptidases to avoid polytubey. Nature (2021). https://doi.org/10.1038/s41586-021-03387-5