Dass die Natur eine ausgezeichnete Chemikerin ist, zeigt sich an der Fülle an Molekülen, den sogenannten Naturstoffen, die sie biosynthetisch herstellt. Diese Naturstoffe sind auch für uns Menschen von zentraler Bedeutung. So finden sie vielfältigen Einsatz in unserem Alltag, vor allem als Wirkstoffe in der Medizin und Landwirtschaft. Prominente Beispiele dafür sind Antibiotika wie die aus Schimmelpilzen isolierten Peniciline, das Krebsmedikament Taxol aus der pazifischen Eibe, sowie die gegen Schädlingsbefall eingesetzten Pyrethrine, die in Chrysanthemen vorkommen. Zur Entwicklung und Herstellung von Medikamenten auf Basis von Naturstoffen ist das Wissen um den Baukasten der Natur essentiell. In diesem Zusammenhang untersuchten Forschende der Arbeitsgruppen um Prof. Tobias Gulder (TU Dresden) und Prof. Tanja Gulder (Universität Leipzig) gemeinsam die Biosynthese des für photosynthetische Organismen hoch giftigen Cyanobacterins, welches in der Natur von der Blaualge Scytonema hofmanni in kleinen Mengen produziert wird. In ihrer Arbeit konnten die Chemiker:innen nicht nur die Bildung des Naturstoffes erstmals aufklären, sondern entdeckten zudem eine neuartige enzymatische Transformation zum Aufbau von Kohlenstoff-Kohlenstoff-Bindungen.
Möglich wurde diese Arbeit durch die Kombination moderner Werkzeuge der Bioinformatik, synthetischen Biologie, Enzymologie und (bio)chemischen Analytik. Im Mittelpunkt stand dabei die Frage, wie der zentrale Teil des Cyanobakterin-Kohlenstoffgerüstes hergestellt wird. Die mutmaßlichen Gene dafür wurden zunächst durch die Methode des „Direct Pathway Cloning“ (DiPaC) kloniert und im Modellorganismus E. coli als Zellfabrik aktiviert. DiPaC ist eine neue Methode der synthetischen Biologie, die zuvor im Labor von Tobias Gulder, Professor für Technische Biochemie an der TU Dresden entwickelt wurde. „DiPaC erlaubt es uns sehr schnell und zielgerichtet ganze Naturstoffbiosynthesewege in rekombinante Wirtssysteme zu überführen“, erläutert Gulder. Im nächsten Schritt analysierte das Forscherteam die essentiellen Einzelschritte der Cyanobacterin-Biosynthese, in dem sie zusätzlich alle Schlüsselenzyme im Wirtsorganismus E.coli produzierten, diese isolierten und dann die Funktion jedes Enzyms untersuchten. Dabei stießen sie auf eine bis dato unbekannte Klasse von Enzymen, die sogenannten Furanolid-Synthasen. Diese sind in der Lage, die Knüpfung von ungewöhnlichen Kohlenstoff-Kohlenstoff-Bindungen zu katalysieren. In den weiteren Untersuchungen dieser Furanolid-Synthasen erwiesen sich diese Enzyme als hocheffiziente in-vitro Biokatalysatoren, wodurch sie für biotechnologische Anwendungen hoch interessant sind.
„Mit den Furanolid-Synthasen haben wir ein molekulares Werkzeug erhalten, welches es uns erlaubt, zukünftig umweltfreundlichere Methoden für die Herstellung von Wirkstoffen zu entwickeln und damit unseren Beitrag für eine nachhaltigere Chemie zu leisten“, erklärt Prof. Tanja Gulder vom Institut für Organische Chemie an der Universität Leipzig. Als nächstes wollen die beiden Forscherteams gezielt nach diesen neuartigen Biokatalysatoren auch in anderen Organismen suchen und somit neue bioaktive Mitglieder dieser Naturstoffklasse finden sowie eine biotechnologische Herstellung und strukturelle Diversifizierung des Cyanobacterins entwickeln. „Unsere Arbeit ebnet den Weg für die umfassende Entwicklung einer spannenden Naturstoffklasse für Anwendungen in Medizin und Landwirtschaft“, stimmen die beiden Wissenschaftler überein.
(Technische Universität Dresden)
Originalpublikation:
Paul M. D’Agostino, Catharina J. Seel, Xiaoqi Ji, Tanja Gulder und Tobias A. M. Gulder.
Biosynthesis of cyanobacterin, a paradigm for furanolide core structure assembly.
Nature Chemical Biology, DOI: https://doi.org/10.1038/s41589-022-01013-7
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