Bei allen Unterschieden von Vögeln und Säugetieren – auf schwankende Temperaturen während ihrer Entwicklung im Ei oder Mutterleib bzw. bis zum Erreichen des Erwachsenenalters reagieren beide Arten ähnlich empfindlich. Denn die thermische Umgebung während des Heranwachsens kann Änderungen der thermoregulatorischen Kontrolle auslösen. Ob dies positiv oder negativ ist, untersuchten Sylvain Giroud vom Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie am Department für Interdisziplinäre Lebenswissenschaften der Vetmeduni Vienna und Andreas Nord von der Lund Universität (Schweden) und nahmen dazu bereits erschienene Forschungsarbeiten unter die Lupe.
Fähigkeit zur Temperaturanpassung kann sich verbessern, aber auch verschlechtern
Bevor sich eine kompetente Endothermie entwickelt, reagieren Säugetiere und Vögel empfindlich auf Temperaturschwankungen. Auf ökologischer Ebene ist bisher nur unvollständig erforscht, wie sich solche Reaktionen später im Leben auf die Temperaturtoleranz auswirken. Laut Giroud sind aufgrund der derzeit vorliegenden Studien keine eindeutigen Schlussfolgerungen möglich: „In einigen Fällen führen Änderungen der Temperatur vor und nach der Geburt dazu, dass Organismen in der Lage sind, sich im Erwachsenenalter besser an die thermische Umgebung anzupassen. In anderen Fällen scheint die Entwicklungstemperatur jedoch die Temperaturtoleranz später im Leben zu beschränken.“
Thermoregulation von Tieren nur unzureichend auf Extremwetter vorbereitet
Einige Studien deuten darauf hin, dass niedrige Temperaturen während der Entwicklungszeit den Einsatz energiesparender Strategien wie Hypometabolismus erhöhen und die Fähigkeit zur Aufrechterhaltung der Normaltemperatur verbessern. Analog dazu scheint durch hohe Temperaturen während der Entwicklungszeit die Toleranz gegenüber warmen Umweltbedingungen zu steigen. Immer häufiger auftretende extreme Wetterereignisse könnten diesem Mechanismus laut den Forschern aber einen Strich durch die Rechnung machen, da sich die Tiere im Laufe der Evolution – aufgrund mangelnder Notwendigkeit – an häufig stark schwankende Wetterbedingungen nicht oder nur unzureichend angepasst haben.
Derzeit viele Fragen offen, neue Studien dringend nötig
Laut den beiden Forschern entscheiden der Zeitpunkt, die Dauer und die Höhe der Temperatur während des Heranwachsens darüber, wann eine thermische Belastung statt zu einer verbesserten zu einer eingeschränkten Adaptionsfähigkeit an Extremtemperaturen führt. Genaue Daten sind jedoch insbesondere für Säugetiere und für die postnatale Periode bisher kaum vorhanden. Giroud betont, dass deshalb neue Studien dringend erforderlich sind: „Das richtige Verständnis der Ontogenese und Akklimatisierungskapazität sowie der Temperaturtoleranz ist der Schlüssel zur Vorhersage, wie Individuen und Populationen auf die Herausforderung des Klimawandels und der damit verbundenen zunehmend extremen Wetterbedingungen reagieren werden.“
Veterinärmedizinische Universität Wien
Originalpublikation:
Andreas Nord und Sylvain Giroud: „Lifelong effects of thermal challenges during development in birds and mammals“, Front. Physiol., 25 May 2020
https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fphys.2020.00419/full