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Integration von Forschungsdaten erklärt das globale Vorkommen von Flechten anhand der Funktion ihrer Sekundärstoffe

Flechten
Flechten, Bild: PixabayCC0

Die globalen Verbreitungsmuster von Flechten-Lebensgemeinschaften aus Pilz und Alge sind nicht nur ein Effekt interner evolutionärer Prozesse. Sie sind offenbar das Ergebnis einer durch Umweltfaktoren gesteuerten Selektion über die Produktion von sogenannten Flechtenstoffen. Ein interdisziplinäres Forscherteam korrelierte mit Beteiligung des SNSB IT-Zentrums die Forschungsdaten von über 10.000 Flechtenarten aus unterschiedlichen Informationssystemen.

Flechten, die symbiontische Lebensgemeinschaften aus einer dominanten Pilz- und einer Algenart bilden, besiedeln alle Teile unserer Erde, von den Polargebieten bis zum Äquator. Der pilzliche Partner (Mykobiont), der von den Kohlenstoffverbindungen aus der Photosyn-these der Alge (Photobiont) abhängig ist, schützt diese vor der schädlichen Wirkung der UV-Strahlung und anderen Umwelteinflüssen. Dazu betreibt der Pilz einen hohen metabolischen Aufwand, indem er die UV-empfindlichen Grünalgen durch UV-absorbierende Sekundärmetaboliten (so genannte “Flechtenstoffe“) schützt. Allerdings sind diese Flechtenstoffe bis zu einem gewissen Grad wasserlöslich, was in Regionen mit hohem Niederschlag und Temperaturen, wie zum Beispiel in den Tropen, ihr Auswaschen aus dem Flechtenkörper begünstigt.

Wie sich die wechselseitige Abhängigkeit zwischen Pilz und Alge in Bezug auf Wasserlöslichkeit und UV-Wirksamkeit von Flechtenstoffen auf das globale Vorkommen von Flechten auswirkt, hat ein interdisziplinäres Team aus den Bereichen Pflanzenökologie, Mykologie/Lichenologie, Naturstoffchemie, Phylogenetik, Bioinformatik, Ökoinformatik und nicht zuletzt Datenwissenschaften an den Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen Bayerns (SNSB) sowie den Universitäten Hohenheim und Bayreuth untersucht. Dazu wurden die öffentlich zugänglichen Datenbestände der Global Biodiversity Information Facility GBIF (www.gbif.org) zum globalen Vorkommen sowie die Datenbestände des Globalen Informationssystems für Flechten LIAS (www.lias.net) am SNSB IT-Zentrum zu den ökologischen und chemischen Merkmalen von mehr als 10.000 Flechtenarten gemeinsam analysiert und mit aufwändig berechneten physiko-chemischen Eigenschaften der Flechtenstoffe in Beziehung gesetzt.

Es zeigt sich, dass UV-Strahlung sowie Temperatur und korrelierte Niederschlagsmengen die globale Verbreitung der chemischen Eigenschaften von Flechtenstoffen bestimmen. Die globalen Verbreitungsmuster der Flechten-Lebensgemeinschaften aus Pilz und Alge sind also nicht nur ein Effekt interner evolutionärer Prozesse, sondern auch – vielleicht sogar überwiegend – das Ergebnis einer durch die genannten Umweltfaktoren gesteuerten Selektion über die Produktion von Flechtenstoffen.

Die für die rechenintensiven Analysen verwendeten Datenbestände aus dem Informationssystem LIAS werden seit mehr als 20 Jahren an der Botanischen Staatssammlung München (SNSB-BSM) wissenschaftlich betreut und am dortigen Datenzentrum (SNSB IT-Zentrum) informationstechnisch ausgebaut. „Die weltweit größte Datenbank für Merkmalsdaten von Flechten ermöglicht globale Analysen sowie interaktive Bestimmungen von weit mehr als der Hälfte aller bekannten Flechtenarten“, erläutert Dr. Dagmar Triebel, Leiterin des SNSB IT-Zentrums und stellvertretende Direktorin der Botanischen Staatssammlung München.

SNSB


Originalpublikation:

Schweiger, A.H., Ullmann, G.M., Nürk, N.M., Triebel, D., Schobert, R. & Rambold, G. 2021. Chemical properties of key metabolites determine the global distribution of lichens. Ecol. Letters 2021;00:1-11: https://doi.org/10.1111/ele.13930