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Fledermäuse nutzen akustische Karten zur Orientierung

  Eine Weißrandfledermaus trinkt während ihrer nächtlichen Suchflüge Wasser.
Eine Weißrandfledermaus trinkt während ihrer nächtlichen Suchflüge Wasser. © Jens Rydell

Kleine Fledermäuse nutzen für den Heimflug Umweltmerkmale mit ausgeprägten akustischen Hinweisen als Orientierungspunkte

Echoortende Fledermäuse verfügen über eine akustische kognitive Karte ihres Heimatgebiets. Die Karte ermöglicht es ihnen, allein mit Hilfe der Echoortung über kilometerweite Entfernungen zu navigieren. Dies haben Forschende des Max-Planck-Instituts für Verhaltensbiologie, des Exzellenzclusters „Kollektives Verhalten“ der Universität Konstanz, der Universität Tel Aviv und der Hebräischen Universität Jerusalem, Israel, kürzlich in der Zeitschrift „Science“ nachgewiesen.

Wären Sie in der Lage, Ihren Standort von einem beliebigen Punkt in einem Umkreis von drei Kilometern ihres Wohnortes sofort zu erkennen und umgehend nach Hause zu finden? Noch dazu in völliger Dunkelheit und nur mit einer Taschenlampe als Wegweiser? Die echoortenden Fledermäuse stehen vor einer ähnlichen Herausforderung, wobei ihnen ein lokaler und gerichteter Schallstrahl – ihre Echoortung – den Weg weist. Fledermäuse sind seit langem dafür bekannt, dass sie Echoortung nutzen, um Hindernissen auszuweichen und sich zu orientieren. Ein Forschungsteam hat nun gezeigt, dass Fledermäuse ihren Standort sogar bestimmen können, wenn sie örtlich versetzt wurden. Mit ihrer Echoortung nutzen sie akustische Orientierungspunkte der Landschaft und navigieren anhand einer ‘akustischen Landkarte‘ ihres Heimatgebiets. Die Forschung wurde geleitet von Aya Goldshtein aus der Gruppe von Iain Couzin am Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie und dem Exzellenzcluster „Kollektives Verhalten“ der Universität Konstanz.

Studie mit 6-Gramm leichten Fledermäusen

Das Team führte ihre Experimente mit der Weißrandfledermaus (Pipistrellus kuhlii) im israelischen Hula-Tal durch. Weißrandfledermäuse sind eine Fledermausart, die nur 6 Gramm wiegt. In mehreren Nächten spürten die Forschenden 76 Fledermäuse in der Nähe ihrer Schlafplätze auf. Anschließend setzten sie die Tiere an verschiedene Orte in einem Umkreis von drei Kilometern aus. Es war gesichert, dass die Gebiete innerhalb des gewohnten Heimatgebiets lagen. Jede Fledermaus wurde mit einem innovativen, leichtgewichtigen Reverse-GPS-Trackingsystem namens ATLAS versehen. Das System ermöglicht eine hochauflösende Verfolgung in Echtzeit.

Einige Fledermäuse wurden ausschließlich mit dem ATLAS-System ausgestattet, während andere zusätzlich für die Versuchszeit beeinflusst wurden, um zu ermitteln, wie ihr Sehvermögen, ihr Geruchssinn, ihr Magnetsinn und ihre Echoortung die Fähigkeit beeinträchtigen, zu ihren Schlafplätzen zurückzufinden. Bemerkenswerterweise kehrten selbst mit der Echoortung allein 95 Prozent der Fledermäuse innerhalb von Minuten zu ihren Schlafplätzen zurück. Das bedeutet, dass Fledermäuse mit dieser hochgradig zielgerichteten und relativ ortsgebundenen Art der Wahrnehmung eine kilometerweite Navigation durchführen können. Es zeigte sich jedoch, dass Fledermäuse ihre Navigation mit Hilfe des Sehsinns verbessern, wenn dieser zur Verfügung steht. „Wir waren überrascht, als wir entdeckten, dass die Fledermäuse auch ihr Sehvermögen nutzen. Das hatten wir aufgrund ihrer winzigen Augen nicht erwartet“, sagt Aya Goldshtein. „Es war unglaublich zu sehen, dass sie sich trotz ihrer kleinen Augen unter diesen Bedingungen auf ihr Sehvermögen verlassen können.“

Modulation des Fluges jeder einzelnen Fledermaus

Zusätzlich zu den Feldexperimenten erstellte das Team eine detaillierte Karte des gesamten Tals. „Wir wollten visualisieren, was jede Fledermaus während des Fluges erlebt und verstehen, wie sie akustische Informationen zur Navigation nutzt“, erklärt Xing Chen, der die Rekonstruktion des Tals entwickelt hat. Er ist Forscher am Labor von Yossi Yovel an der Universität Tel Aviv. Das Modell zeigte, dass Fledermäuse dazu neigen, in der Nähe von Umgebungsmerkmalen mit höherer „Echoentropie“ zu fliegen – sprich über Umgebungen, die intensive akustische Informationen liefern. „Während der Lokalisierungsphase führen Fledermäuse einen mäandernden Flug durch, der an einem bestimmten Punkt in einen Richtungsflug in Richtung ihres Ziels übergeht. Das deutet darauf hin, dass sie bereits wissen, wo sie sich befinden“, sagt Aya Goldshtein und ergänzt: „Fledermäuse fliegen in der Nähe von Umweltmerkmalen mit mehr akustischen Informationen und treffen Navigationsentscheidungen“. Fledermäuse können diese akustischen Informationen nutzen, um zwischen Umweltmerkmalen wie einem Baum oder einer Straße zu unterscheiden. Die Tiere nutzen die Merkmale als akustische Orientierungspunkte.

Fledermäuse verfügen über eine akustische mentale Karte

Die Studie kommt zu dem Schluss, dass Weißrandfledermäuse sich über mehrere Kilometer hinweg allein mit Hilfe der Echoortung orientieren können. Wenn jedoch Sehvermögen vorhanden ist, verbessern sie ihre Navigationsleistung, indem sie beide Sinne kombinieren. Nachdem sie an einem neuen Ort ausgesetzt wurden, identifizieren diese kleinen Fledermäuse zunächst ihren neuen Standort und fliegen dann nach Hause, wobei sie Umweltmerkmale mit ausgeprägten akustischen Hinweisen als Orientierungspunkte nutzen. Dieses Verhalten deutet darauf hin, dass sie über eine akustische Landkarte ihres Heimatgebiets verfügen.

Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie


Originalpublikation:

Aya Goldshtein et al.:,Acoustic cognitive map–based navigation in echolocating bats.Science386,561-567(2024).DOI:10.1126/science.adn6269