VBIO

Abbau kritischer Rohstoffe bedroht Menschenaffen in Afrika

Laster transportiert Bauxit aus Tagebau ab
Bauxit-Abbau in Guinea. Die Region ist gleichzeitig Lebensraum für Schimpansen. Genevieve Campbell

Eine neue Studie unter Leitung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv), der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (MLU) und der Naturschutzorganisation Re:wild zeigt, dass die Bedrohung von Menschenaffen in Afrika durch den Bergbau bislang deutlich unterschätzt wurde. Die Ergebnisse der Untersuchung wurden im Fachjournal Science Advances veröffentlicht.

Die steigende Nachfrage nach kritischen Mineralien wie Kupfer, Lithium, Kobalt und anderen Seltenen Erden, die für den großangelegten Umstieg auf saubere Energie benötigt werden, lässt den Bergbau in Afrika boomen, wo ein Großteil dieser Bodenschätze noch unangetastet ist. Das treibt die Abholzung tropischen Regenwaldes voran, der Lebensraum für viele Tier- und Pflanzenraum bietet, darunter auch die engsten Verwandten des Menschen: die Menschenaffen. Die Studie geht davon aus, dass die Bedrohung der Menschenaffen in Afrika durch den Bergbau bislang deutlich unterschätzt wurde. Mehr als ein Drittel der gesamten Population, die fast 180.000 Gorillas, Bonobos und Schimpansen umfasst, könnten nach Ansicht der Forschenden gefährdet sein. Sie betonen zudem, dass Bergbauunternehmen ihre Biodiversitätsdaten derzeit nicht offenlegen müssen und das wahre Ausmaß der bergbaubedingten Bedrohung für die Biodiversität und insbesondere die Menschenaffen noch höher sein könnte.


Das Forschungsteam nutzte für seine Studie Daten zu Abbaustätten in 17 afrikanischen Ländern, die entweder bereits in Betrieb genommen wurden oder derzeit erschlossen werden. Zusätzlich definierten sie eine Pufferzone im Umkreis von 10 km für direkte Auswirkungen wie die Zerstörung von Lebensraum sowie Lichtverschmutzung und Lärm, und eine Pufferzone von 50 km für indirekte Auswirkungen, die mit den Bergbauaktivitäten einhergehen. So werden etwa neue Straßen und Infrastrukturen angelegt, um Zugang zu den entlegenen Gebieten zu ermöglichen, und Menschen siedeln sich in der Hoffnung auf einen Job im Umkreis an. Das wiederum erhöht den Druck auf die Menschenaffen – sie werden stärker bejagt, verlieren ihren Lebensraum und es können Krankheiten auf sie übertragen werden. Indem die Forschenden Daten zur Verteilung der Menschenaffen in ihre Untersuchung integrierten, konnten sie untersuchen, wie stark die Überlappung mit Bergbaugebieten und deren Pufferzonen ist und wie viele Affen möglicherweise gefährdet sind.

Menschenaffen in Westafrika am stärksten betroffen
Die stärksten Überlappungen zwischen einer hohen Dichte von Affen und Bergbaugebieten – inklusive der 10-km- und 50-km-Pufferzonen – fanden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in den westafrikanischen Ländern Liberia, Sierra Leone, Mali und Guinea. Besonders stark überlappten Bergbau und der Lebensraum von Schimpansen in Guinea. Hier könnten mehr als 23.000 Schimpansen oder bis zu 83 % der Affenpopulation Guineas direkt oder indirekt von Bergbauaktivitäten betroffen sein. Die kritischsten Gebiete – jene, in denen sich eine hohe Dichte von Menschenaffen und gleichzeitig starke Bergbauaktivitäten finden – seien im Allgemeinen nicht geschützt.

“Studien zu anderen Arten gehen davon aus, dass Bergbau den Affen durch Verschmutzung, den Verlust von Lebensraum, einen erhöhten Jagddruck und die Übertragung von Krankheiten schadet. Das ist jedoch ein unvollständiges Bild“, sagt Erstautorin Dr. Jessica Junker von Re:wild, die zuvor bei iDiv und an der MLU geforscht hat. „Die Tatsache, dass Daten zu Bergbauprojekten kaum offengelegt werden, beeinträchtigt unser wissenschaftliches Verständnis davon, welchen Einfluss Bergbau wirklich auf die Menschenaffen und ihren Lebensraum hat.“

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchten auch mögliche Überschneidungen von Bergbaugebieten und kritischem Lebensraum generell – also von Gebieten, die essenziell für ihre einzigartige Biodiversität sind, unabhängig von den Menschenaffen. Hier verzeichneten die Forschenden eine Überlappung von 20 %. In Gebieten, die als kritischer Lebensraum ausgewiesen sind, gelten strenge Umweltschutzbestimmungen, insbesondere für Bergbauprojekte, die etwa durch die Internationale Finanz-Corporation (IFC) – ein Ableger der Weltbank, der sich auf die Förderung privater Unternehmen spezialisiert hat – oder andere Kreditgeber mit ähnlichen Standards gefördert werden wollen. Bei früheren Versuchen, kritische Lebensräume in Afrika zu kartieren, wurden erhebliche Teile der Lebensräume von Menschenaffen nicht berücksichtigt, die nach internationalen Maßstäben wie dem IFC-Leistungsstandard 6 dafür infrage kämen.

„Unternehmen, die in diesen Gebieten tätig sind, sollten entsprechende Vorkehrungen zur Abminderung und Kompensation treffen, um die Auswirkungen ihrer Aktivitäten zu minimieren. Das erscheint aber eher unwahrscheinlich, denn die meisten Unternehmen haben gar keine soliden Ausgangsdaten zu den Arten, die die Voraussetzung für solche Maßnahmen wären“, sagt Dr. Tenekwetche Sop, Manager der IUCN SSC A.P.E.S. Datenbank des Senckenberg Museums für Naturkunde in Görlitz, die alle Populationsdaten zu Menschenaffen umfasst. „Indem wir die Unternehmen dazu ermutigen, ihre Daten zum Vorkommen von Affen mit uns zu teilen, leisten wir einen wichtigen Beitrag zu mehr Transparenz über ihre Aktivitäten. Nur mithilfe solcher gemeinsamen Anstrengungen können wir das tatsächliche Ausmaß der Auswirkungen von Bergbauaktivitäten auf Menschenaffen und ihren Lebensraum erfassen.“

Kurzfristige Ausgleichsmaßnahmen können langfristige Auswirkungen nicht kompensieren
Auch wenn sich die indirekten und langfristigen Auswirkungen des Bergbaus nur schwer mit Zahlen belegen lassen, sind diese doch oftmals noch lange nach dem eigentlich Abbauzeitraum nachweisbar. Diese Risiken werden von den Bergbauunternehmen jedoch nur selten berücksichtigt oder gar abgemindert. Die entsprechenden Kompensations- oder Ausgleichsmaßnahmen basieren dann auf einer Abschätzung der Auswirkungen, die nach Meinung der Forschenden häufig ungenau sind und zu gering angesetzt werden. Zudem sind solche Ausgleichsmaßnahmen lediglich für die Dauer des Bergbauprojektes ausgelegt (meist ca. 20 Jahre), wohingegen die Auswirkungen auf die Menschenaffen oft dauerhaft sind.

„Bergbauunternehmen sollten sich darauf konzentrieren, ihre Auswirkungen auf die Menschenaffen soweit es geht zu vermeiden. Ausgleichsmaßnahmen sollten nur das letzte Mittel der Wahl sein, denn derzeit gibt es noch keine Beispiele für Maßnahmen, die den Menschenaffen nachweislich geholfen haben“, erklärt Dr. Genevieve Campbell von Re:wild, die eine IUCN-Taskforce zum Schutz von Menschenaffen leitet. „Das muss schon in der Explorationsphase gelten. Leider ist diese Phase schlecht reguliert und die Unternehmen erheben ‚Ausgangsdaten‘ erst viele Jahre später, wenn die Exploration und die Zerstörung des Lebensraums bereits stattgefunden haben. Diese Daten spiegeln den ursprünglichen Zustand der Menschenaffenpopulationen vor Ort dann also gar nicht korrekt wieder.“

„Die Abkehr von fossilen Brennstoffen ist für das Klima richtig und wichtig. Sie muss aber in einer Art und Weise erfolgen, die die Biodiversität nicht aufs Spiel setzt. In der jetzigen Form könnte sie sogar für unsere Umweltziele abträglich sein“, sagt Jessica Junker. „Unternehmen, Kreditgeber und Staaten müssen anerkennen, dass es manchmal für die Eindämmung des Klimawandels und die Vermeidung zukünftiger Epidemien von größerem Nutzen sein kann, einige Gebiete unangetastet zu lassen.

Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig


Originalpublikation:

Jessica Junker, Luise Quoss, Jose Valdez, Mimi Arandjelovic, Abdulai Barrie, Genevieve Campbell, Stefanie Heinicke, Tatyana Humle, Célestin Yao Kouakou, Hjalmar S. Kühl, Isabel Ordaz-Nemeth, Henrique M. Pereira, Helga Rainer, Johannes Refisch, Laura Sonter, Tenekwetche Sop (2024). Threat of mining to African great apes. Science Advances, DOI: 10.1126/sciadv.adl0335