Bisherige Studien haben das Verhalten der Partikel nur bei gleichbleibenden Strömungen beobachtet. In der aktuellen Studie simulierten die Forschenden in einem Wellenkanal Strömungen in der Brandungszone, die sich mit der Zeit ändern. „Hierzu haben wir realistische Seegänge der Nord- und Ostsee mit über 40.000 Einzelwellen pro Versuch nachgestellt“, erklärt Nils Kerpen. „Diese lange Versuchszeit ist nötig, um Schwankungen in den Partikel-Transporten statistisch repräsentativ zu erfassen.“ Das bedeutet: Die winzigen Plastikteilchen bewegen sich nicht bei jeder Einzelwelle genau in dieselben Richtungen, aber bei vielen Wellen lässt sich eine Tendenz beobachten. Um die Pflanzeneigenschaften über den langen Versuchszeitraum möglichst konstant zu halten, setzten die Forschenden Kunstrasenflächen in den Wellenkanal ein. Von Versuch zu Versuch entnahmen die Forschenden einzelne Halme, um die Dichte der Vegetation zu verringern. Eine solche systematische Vorgehensweise macht es möglich, Versuche zu wiederholen und die Ergebnisse zu verifizieren.
Auf diese Weise bestimmten die Forschenden die Faktoren, die den größten Einfluss auf die Bewegungen des Mikroplastiks haben: die Pflanzendichte, die Länge der Bewuchsfläche und die Absetzgeschwindigkeit der Partikel. „Je dichter der Bewuchs und je geringer hierdurch die Wellenkraft, desto eher können sich Partikel an den Pflanzen festsetzen“, fasst Nils Kerpen zusammen. „Wir haben hier eine neue Ökosystemdienstleistung der Küstenpflanzen entdeckt: Indem die Pflanzen die Mikropartikel festhalten, helfen sie uns beim Sammeln des Mikroplastiks“. Insbesondere in den Randbereichen der Bewuchsflächen sammelte sich besonders viel Mikroplastik an.
Die Laborversuche wurden im Wellenkanal im Maßstab 1:20 durchgeführt, also zwanzigmal kleiner als in der Natur. „Die Ergebnisse sind aber dimensionslos aufgearbeitet und somit gelten alle Beobachtungen und getroffenen Aussagen zum Transport und der Akkumulation von Partikeln auch auf die Partikel in der Natur“, sagt Kerpen.
Leibniz Universität Hannover
Originalpublikation:
Nils B. Kerpen, Bjarke Eltard Larsen, Torsten Schlurmann, Maike Paul, Hasan Gokhan Guler, Koray Deniz Goral, Stefan Carstensen, Erik Damgaard Christensen, David R. Fuhrman,
Microplastic retention in marine vegetation canopies under breaking irregular waves, Science of The Total Environment 2024, https://doi.org/10.1016/j.scitotenv.2023.169280