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MINT-Bildung: Mädchen fallen weiter zurück

MINT-Nachwuchsbarometer 2023
Mädchen mit großen Leistungsrückständen in Mathematik

Die Bildung in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik – kurz: „MINT-Bildung“ – bleibt ein Sorgenkind: Wie das MINT Nachwuchsbarometer 2023 von acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften und der Joachim Herz Stiftung zeigt, haben Mädchen sowie neu zugewanderte Kinder große Leistungsrückstände. Bei ausländischen Studierenden sind deutsche Hochschulen und ihr MINT-Angebot sehr beliebt – ein Ergebnis, aus dem sich Motivation schöpfen lässt.

Laut MINT Nachwuchsbarometer 2023 nahmen die Geschlechterunterschiede bei den mathematischen Leistungen während der vergangenen zehn Jahre erheblich zu: In der 4. Klasse haben Jungen gegenüber Mädchen heute einen Leistungsvorsprung von rund 15 Lernwochen. Hinzu kommt, dass Frauen in MINT-Ausbildungsberufen sowie dualen Studiengängen in MINT-Fächern weiterhin deutlich unterrepräsentiert sind. Immerhin: Unter den Absolvierenden eines klassischen MINT-Studiums stieg ihr Anteil leicht auf 31 Prozent.

„Dass wir viele Mädchen früh für die MINT-Bildung verlieren, sollten wir – schon wegen des Fachkräftemangels – nicht hinnehmen. Der MINT-Bereich wird von vielen, häufig unbewusst und ungewollt, als eher männlich wahrgenommen. Das empfinden auch viele Mädchen so, weshalb Schülerinnen sich von MINT-Fächern oft weniger angesprochen fühlen als von anderen Fächern. Dieses Gefühl überträgt sich später auch auf die Wahl des Profilfachs in der Oberstufe und in der Folge auf die Studienfachwahl bzw. auf die Ausbildungswahl. Es sollten Anstrengungen unternommen werden, um diese wirkmächtigen Geschlechterstereotype zu überkommen. Es braucht sehr viel mehr positive weibliche Rollenvorbilder. Die Leistungslücke zwischen Jungen und Mädchen am Ende der Grundschule ist kaum aufzuholen. Damit es erst gar nicht zu dieser Lücke kommt, sollten Lehrkräfte und Erziehende in der frühen Bildung und Grundschule stärker auf die Interessen der Mädchen eingehen und ihnen die gesellschaftliche Relevanz der MINT-Fächer aufzeigen“, so Olaf Köller, Direktor des Leibniz-Instituts für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik (IPN) und Studienleiter des MINT Nachwuchsbarometers.

Neu zugewanderte Kinder mit großen Leistungsdefiziten – Deutschland als Studienstandort beliebt

In Deutschland stiegen mit der Fluchtmigration im Jahr 2015 sowie 2022 die Zahlen der Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund stark an. Es ist eine wichtige Aufgabe, sie erfolgreich ins Bildungssystem zu integrieren. Das MINT Nachwuchsbarometer 2023 zeigt aber, dass dies bisher nicht gelingt: Gegenüber Kindern ohne Migrationshintergrund haben neu zugewanderte Kinder am Ende der 4. Klasse in Mathematik einen Leistungsrückstand von rund eineinhalb Schuljahren.

Aufgrund des demografischen Wandels werden in den kommenden Jahren viele Beschäftigte in Deutschland aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden. Einwanderung ermöglicht es, entstehende Lücken zu schließen – was die gezielte MINT-Förderung von Kindern und Jugendlichen der ersten Einwanderergeneration noch wichtiger macht. Positiv stimmt, dass sich MINT-Studiengänge an deutschen Hochschulen bei ausländischen Studierenden großer Beliebtheit erfreuen: Die Zahl ausländischer MINT-Studienanfängerinnen und -anfänger ist laut MINT Nachwuchsbarometer 2023 um rund zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen.

„Deutsche Ingenieurkunst – das ist nach wie vor ein bekanntes Label, von dem auch der Bildungsstandort Deutschland profitiert. Dass so viele Menschen aus der ganzen Welt hierherkommen, um MINT-Fächer zu studieren, sollte uns dazu motivieren, die MINT-Bildung weiter zu stärken: sie bildet das Fundament für den Innovationsstandort Deutschland. Mit MINT-Wissen werden hierzulande Ideen und Technologien entwickelt, mit denen wir den großen Herausforderungen unserer Zeit – Klimawandel, Energieversorgung, Ressourcenknappheit – begegnen können“, so acatech Präsident Jan Wörner.

Lehrkräftemangel: Sinkende Anzahl an MINT-Lehramtsstudierenden ist alarmierend

Lehrkräfte sind entscheidende Einflussgrößen, um die MINT-Bildung in Deutschland zu verbessern. Der bereits bestehende Lehrkräftemangel wird sich jedoch weiter zuspitzen: 2021 begannen bundesweit zwölf Prozent weniger Studierende ein MINT-Lehramtsstudium als im Vorjahr, in der Informatik beträgt der Rückgang sogar 23 Prozent. In den kommenden zehn Jahren werden laut Analysen des MINT Nachwuchsbarometers 40.000 bis 100.000 Lehrkräfte fehlen.

Hinzu kommt, dass auch in der Ausbildung von MINT-Lehrkräften neue Impulse benötigt werden. Darauf verweist Sabine Kunst, Vorstandsvorsitzende der Joachim Herz Stiftung: „Lehrkräfte und Lehramtsstudierende in MINT-Fächern müssen so aus- und fortgebildet werden, dass sie die fachlichen Inhalte auch mit innovativen digitalen Lehr- und Lernkonzepten zeitgemäß und spannend vermitteln können und so ein nachhaltiges Interesse junger Menschen an MINT-Themen entstehen kann. Die aktuellen Entwicklungen rund um den Einsatz Künstlicher Intelligenz erhöhen den Handlungsdruck zusätzlich.“

acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften


Weitere Informationen:

https://www.acatech.de/mint-nachwuchsbarometer-2023