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Borreliose: Erkrankungswahrscheinlichkeit genetisch veranlagt

Eine Zecke auf einem Finger
Zecke, Bild von Erik Karits auf Pixabay

Borreliose ist die häufigste durch Zeckenstiche übertragene Erkrankung in Deutschland. Ob für die Krankheitsentstehung eine besondere genetische Veranlagung eine Rolle spielt und welche immunologischen Prozesse im Körper beteiligt sind, ist bislang noch nicht hinreichend verstanden. Ein Forschungsteam des Zentrums für Individualisierte Infektionsmedizin (CiiM), einer gemeinsamen Einrichtung des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) und der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), hat nun in Kooperation mit dem Universitätsklinikum Radboudumc (Radboud Universitair Medisch Centrum) sowie des Amsterdam UMC (beide Niederlande) eine verantwortliche Genvariante sowie beteiligte Immunparameter entdeckt. Ihre Ergebnisse haben die Forschenden in zwei Studien veröffentlicht.

Ist eine Zecke mit dem Erreger Borrelia burgdorferi s. l. (sensu lato = im weiteren Sinne) infiziert, können diese auch als Borrelien bezeichneten Bakterien durch einen Zeckenstich auf den Menschen übergehen und krankmachen. Dabei können verschiedene Organsysteme betroffen sein: die Haut, das Nervensystem oder die Gelenke. „Eine Infektion mit Borrelien führt nicht immer zur Erkrankung, und in der Regel kann eine Borreliose auch erfolgreich mit Antibiotika behandelt werden. Doch wie unsere Kooperationspartner herausgefunden haben, entwickelt ein Teil der Betroffenen trotz Antibiotikabehandlung bleibende Beschwerden wie Fatigue, kognitive Einschränkungen oder Schmerzen“, sagt Prof. Yang Li, Direktorin des CiiM und Leiterin der Abteilung „Bioinformatik der Individualisierten Medizin“ am HZI. „Um künftig zusätzliche Ansatzpunkte für die Entwicklung wirksamer Therapien zur Behandlung einer Borreliose zu finden, ist es zunächst wichtig, die für die Krankheitsentstehung verantwortlichen genetischen und immunologischen Mechanismen besser zu verstehen.“

Dafür hat das Forschungsteam in seinen Untersuchungen die Genmuster von mehr als 1000 an Borreliose Erkrankten analysiert und mit Genmustern nicht infizierter Personen verglichen. „Ziel war es, spezifische Varianten von Genen aufzuspüren, die mit der Erkrankung in direktem Zusammenhang stehen“, erklärt Javier Botey-Bataller, wissenschaftlicher Mitarbeiter am CiiM und einer der Erstautoren der beiden Studien. „Und tatsächlich konnten wir bei Borreliose-Erkrankten eine besondere, bislang unbekannte Genvariante ausfindig machen.“ Das Forschungsteam führte verschiedene zellbiologische und immunologische Tests durch, um herauszufinden, welche konkreten physiologischen Folgen diese genetische Veranlagung hat. „Zum einen konnten wir zeigen, dass bei Vorliegen dieser Genvariante antientzündliche Prozesse im Körper gedrosselt waren. Das heißt: Entzündungen und Krankheitssymptome der Borreliose halten dadurch womöglich länger an“, erklärt Li. Und die Forschenden entdeckten darüber hinaus, dass Erkrankte mit dieser Genvariante deutlich weniger Antikörper gegen Borrelien produzierten. Sie vermuten, dass die Bakterien dadurch nicht effizient bekämpft werden können und die Erkrankung dadurch länger andauert.

„Darüber hinaus konnten wir 34 verschiedene Genorte identifizieren, die über Botenstoffe, sogenannte Zytokine, an der Regulation der Immunantwort von Borreliose-Erkrankten beteiligt sind, und die auch bei anderen immunvermittelten Erkrankungen wie etwa Allergien eine wichtige Rolle spielen könnten“, sagt Botey-Bataller. Alle Gene des menschlichen Genoms werden in der Forschung in einer sogenannten Genkarte erfasst. Dabei hat jedes Gen dort seine individuelle Position, die als Genort bezeichnet wird. „Unsere Studienergebnisse zeigen deutlich, wie Immunantworten über die Genetik bestimmt werden“, sagt Li. „Da unseren Studienergebnissen aufgrund der großen Kohorte eine extrem breite Datenbasis zugrunde liegt, bieten sie eine hervorragende Grundlage für weiterführende Forschungsansätze, etwa um die Wirkung unterschiedlicher Varianten der beteiligten Gene auf die Krankheitsschwere der Borreliose hin zu untersuchen.“

In den vergangenen Jahren hat die Häufigkeit der Borreliose in der nördlichen Hemisphäre zugenommen. Auch vor dem Hintergrund des Klimawandels müsse künftig mit einem weiteren Anstieg gerechnet werden, vermutet das Forschungsteam. Denn durch insgesamt mildere Temperaturen sei es wahrscheinlich, dass sich die Zeckensaison verlängern und das Verbreitungsgebiet von Zecken vergrößern wird. Die Folge: mehr Zeckenstiche und damit einhergehend auch mehr mögliche Borreliose-Fälle. „Mit unseren Studienergebnissen konnten wir wichtige Einblicke in die genetischen und immunologischen Prozesse gewinnen, die die Entstehung einer Borreliose begünstigen. Wir hoffen, dass wir damit den Weg ebnen konnten hin zur Entwicklung wirksamer Therapien für Borreliose-Erkrankte mit langanhaltenden Symptomen“, sagt Li.

Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung


Originalpublikationen:

Botey-Bataller, J., Vrijmoeth, H.D., Ursinus, J. et al. A comprehensive genetic map of cytokine responses in Lyme borreliosis. Nat Commun 15, 3795 (2024). https://doi.org/10.1038/s41467-024-47505-z

Vrijmoeth, H.D., Ursinus, J., Botey-Bataller, J. et al. Genome-wide analyses in Lyme borreliosis: identification of a genetic variant associated with disease susceptibility and its immunological implications. BMC Infect Dis 24, 337 (2024). https://doi.org/10.1186/s12879-024-09217-z