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Ein Beispiel konvergenter Evolution

Ameisen Evolution
Bild: Julia Giehr

Die Arbeiterinnen sklavenhaltender Ameisen versorgen die Brut ihrer Königinnen nicht selbst und gehen auch nicht auf Nahrungssuche. Vielmehr übernehmen diese Tätigkeiten die Wirtsarbeiterinnen, also Ameisen einer anderen Art. Interessanterweise entwickelte sich dieses Verhalten mehrmals unabhängig, ausgehend von sozialen Vorfahren, und ist daher ein Beispiel sogenannter konvergenter Evolution. Dies haben jetzt Forschende der Universitäten Münster, Mainz, Frankfurt und Regensburg in einer Studie zur Genomevolution bei parasitischen Ameisen herausgefunden.

Die Forschenden argumentieren, dass dieser Übergang zu einer parasitischen Lebensweise mit dem Verlust von Genen für Rezeptormoleküle, die für das Auffinden von Nahrung oder die Brutpflege wichtig sind, eng gekoppelt ist. In ihrer Publikation zeigen die Wissenschaftler:innen, dass bei der Evolution des parasitischen Verhaltens von sklavenhaltenden Ameisen Gene für die Geruchs- und Geschmackswahrnehmung ebenfalls konvergent verloren gehen.

Expert:innen nehmen an, dass die überwiegende Mehrzahl aller Organismen weltweit Parasiten sind. Im Zuge der Anpassung an ihre Wirte haben Parasiten immer wieder eigene Fähigkeiten und die zugrundeliegenden Gene verloren, ihre Genome also reduziert. Ein besonders bekannter Fall von parasitischer Anpassung, den schon Charles Darwin in „Origin of Species“ beschrieb, sind sklavenhaltende Ameisen. Diese haben sich von sozialen Vorgängern entwickelt und rauben eng verwandten Arten die Brut, um sie für eigene „Aufgaben“ einzusetzen.

„Wir haben die Genome von drei unabhängig entstandenen sklavenhaltenden Ameisen und ihren Wirtsarten sequenziert“, erläutert Professor Dr. Jürgen Heinze von der Universität Regensburg. Professor Dr. Erich Bornberg-Bauer von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster unterstreicht: „Als interessantestes Ergebnis fanden wir, dass in allen drei untersuchten Arten immer wieder dieselben Geruchsrezeptoren, die zur Nahrungssuche und zur Erkennung von Artgenossen notwendig sind, verloren gingen. Die konvergente Evolution der Phänotypen spiegelt sich also genau in der konvergenten Evolution der Genome wider.“

Sklavenhaltende Ameisen versorgen sich und ihre Brut nicht mehr selbst und gehen daher auch nicht selbst auf Nahrungssuche. Sie haben dies an ihre Sklaven delegiert, also an Ameisen einer anderen Art. Daher ist für sklavenhaltende Ameisen ein guter Geruchs- und Geschmackssinn nicht mehr unbedingt notwendig. „Die Sklavenhalter bekommen ihr Essen von den Sklaven serviert, sie können es aber vermutlich gar nicht mehr so gut schmecken,“ sagt Professorin Dr. Susanne Foitzik von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU). Das Forschungsteam will in Zukunft die Ameisengenome weitergehend analysieren. Es sei nicht ungewöhnlich, dass Parasiten Gene verlieren, weil sie sich auf den Wirt verlassen. „Aber bisher sehen wir nur die Verluste. Uns würde auch interessieren, ob sie Gene hinzugewinnen“.

Universität Regensburg


Originalpublikation:

Evelien Jongepier, Alice Seguret, Anton Labutin, Barbara Feldmeyer, Claudia Gstöttl, Susanne Foitzik, Jürgen Heinze, and Erich Bornberg-Bauer: Convergent Loss of Chemoreceptors across Independent Origins of Slave-Making in Ants, in: Molecular Biology and Evolution, Doi: 10.1093/molbev/msab305

https://doi.org/10.1093/molbev/msab305