Wiesen und Weiden beherbergen eine oft unterschätzte Vielfalt an Tierarten. Vor allem die dort lebenden Insekten und Spinnen sind jedoch durch regelmäßiges Mähen erheblich gefährdet. Eine Reihe von Studien zeigt, dass bei der Mahd von landwirtschaftlich genutztem Grünland und der Weiterverarbeitung des Mähgutes bis zu 80 Prozent der Insekten getötet werden. Über viele Jahre hinweg führt dies bei bis zu fünf Mahden pro Jahr vermutlich zu einem massiven Rückgang der Insekten und Spinnen im Wirtschaftsgrünland.
Zudem entstehen durch das gekürzte Grün meist ungünstige mikroklimatische Bedingungen. So sind beispielsweise Schmetterlingsraupen, Käferlarven oder junge Heuschrecken insbesondere in den Sommermonaten ungeschützt der Hitze ausgeliefert und vertrocknen. Außerdem werden sie von potenziellen Räubern wie Vögeln besser gefunden.
Insektenschutz: Kein Unterschied zwischen Balken und Scheibenmäher
Der Frage, wie Grünland möglichst biodiversitätsschonend gemäht werden kann, gehen Forschende der Universitäten Hohenheim und Tübingen im Projekt „InsectMow“ nach, das vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) gefördert wird.
Dabei kamen die Forschenden zu einem überraschenden Ergebnis: „Wir konnten keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden gängigsten Mähtechniken feststellen“, so Prof. Dr. Johannes Steidle von der Universität Hohenheim. Er ist Projektleiter und im Vorstand des Kompetenzzentrums Biodiversität und integrative Taxonomie (KomBioTa), einer gemeinsamen Einrichtung der Universität Hohenheim und des Naturkundemuseums Stuttgart.
„Wir konnten in der Praxis keinen Hinweis finden, dass der Balkenmäher, der oft als die umweltfreundlichere Alternative eingestuft wird, schonender für Insekten und Spinnen ist als der Scheibenmäher“, fasst er die Ergebnisse zusammen. Die Mahd mit beiden Geräten hatte ein ähnliches Ergebnis: „Im Vergleich zu den ungemähten Kontrollen, fanden wir im Durchschnitt 34 Prozent weniger Individuen in den mit dem Balkenmäher gemähten Parzellen und 36 Prozent weniger in den mit dem Scheibenmäher gemähten Flächen“, sagt Lea von Berg, Doktorandin am Institut für Evolution und Ökologie der Universität Tübingen.
Besonders betroffen waren weichhäutige und wenig mobile Gruppen wie Spinnen und Raupen, deren Anzahl nach dem Mähen um 55 Prozent abnahm. Heuschrecken und Käfer wurden weniger stark dezimiert. „Heuschrecken können durch einen Sprung schnell flüchten und entgehen häufig dem Mäher, während viele Käfer sich offenbar auf den Boden fallen lassen, anstatt das Gebiet zu verlassen“, erklärt die Wissenschaftlerin.
Biodiversitätsfreundliches Mähen durch Insektenscheuchen
Die Ergebnisse unterstreichen, wie wichtig alternative Maßnahmen sind, um die Folgen des Mähens möglichst gering zu halten. „Ein vielversprechender Ansatz für biodiversitätsfreundliches Mähen sind verschiedene Vergrämungsgeräte, die vor dem Mähwerk montiert werden“, sagt Prof. Dr.-Ing. Stefan Böttinger vom Fachgebiet Grundlagen der Agrartechnik der Universität Hohenheim „Sie sollen die Tiere dazu bewegen, zu flüchten oder sich fallen zu lassen, und sie so vor Verletzungen oder Tod schützen.“
Neben einer Abstreifvorrichtung, bei der eine LKW-Plane auf einen verstellbaren Metallbügel montiert wird, testeten die Forschenden auch eine Art Rechen, bei dem herabhängende Metallzinken durch das Gras geführt werden, sowie eine Gebläsescheuche, die vor ein Scheibenmäher angebracht wurden.
Dabei hängt der Erfolg solcher Vergrämungsgeräte von mehreren Faktoren ab: „Bei einer niedrigen Fahrgeschwindigkeit von 5 km/h erwies sich die Insektenscheuche aus Lkw-Plane als sehr effektiv. Bei höheren Geschwindigkeiten von 12 km/h, die gängige Praxis sind, war dieses Gerät jedoch wirkungslos“, fasst Lea von Berg die Ergebnisse zusammen. „Hier zeigten robustere Modelle wie der Rechen mit Metallzinken oder das leistungsstarke Gebläse bessere Ergebnisse.“
Gebläsescheuche am effektivsten
Zudem beeinflussen die Vegetationshöhe und -struktur die Wirksamkeit der Geräte. Während die Lkw-Plane bei dichter und hoher Vegetation aufschwimmt und dadurch einen geringeren Scheucheffekt zeigt, durchdringen die stabileren Metallzinken die Vegetation besser und erzeugen eine stärkere Reaktion der Insekten.
Insbesondere das Gebläse erwies sich als äußerst wirksam, da es sämtliche untersuchte Tiergruppen von der gemähten Fläche vertrieb. Aufgrund des starken Luftstroms kann es Kleinstlebewesen nicht nur zur Flucht anregen, sondern auch Individuen aktiv wegblasen, die sonst nicht entkommen könnten. „Nur bei Spinnen konnten wir keinen Effekt des Gebläses beobachteten“, so Jonas Frank am Fachgebiet Grundlagen der Agrartechnik der Universität Hohenheim. „Dies liegt wahrscheinlich daran, dass auf den Wiesen hauptsächlich netzbauende Arten leben, die sich bei starkem Wind an ihren Netzen festklammern.“
Ungemähte Flächen als Rettungsinseln
Die Forschenden empfehlen jedoch unbedingt, auf den zu mähenden Wiesen beim Mähen ungemähte Rückzugsflächen zu erhalten. Insekten und Spinnen, die vor dem Mähwerk verscheucht wurden, können sich in diese Flächen zurückziehen. Dort entgehen sie der nachfolgenden Ernte und dem Vertrocknen auf den gemähten Flächen.
„Hierfür reicht es schon, kleine Inseln oder (Seiten-)Streifen ungemäht zu lassen“, betont so Prof. Dr. Oliver Betz von der Universität Tübingen „Insekten und Spinnen, die bei der Mahd aufgeschreckt oder verscheucht werden, flüchten sich in diese Schutzräume und können von dort aus die gemähten Flächen nach einiger Zeit wieder besiedeln.“
Kompromiss zwischen Wirtschaft und Natur
Die Forschenden sehen in einer Kombination aus innovativen Technologien, geschützten Rückzugsflächen und angepassten Mähpraktiken den Weg zu einem biodiversitätsfreundlichen Umgang mit Grünland. Zwar seien einige dieser Maßnahmen mit Kosten und Mehraufwand verbunden – etwa durch langsamere Fahrgeschwindigkeiten oder die Anschaffung spezieller Geräte wie Gebläsescheuchen.
Doch selbst einfache und kostengünstige Lösungen wie Abstreifvorrichtungen aus LKW-Plane könnten – richtig eingesetzt – nennenswerte Erfolge erzielen. Eine Anleitung zum einfachen Selbstbau dieser Insektenscheuche findet sich hier: https://t1p.de/len8r
„Eine nachhaltige Landwirtschaft muss Ökologie und Ökonomie in Einklang bringen“, so Prof. Dr. Steidle. „Mit den richtigen Ansätzen können wir die Artenvielfalt bewahren, ohne die Wirtschaftlichkeit aus den Augen zu verlieren.“
Straßenränder – oft unterschätzte Grünflächen
Dabei müssen diese Maßnahmen nicht auf landwirtschaftlich genutzte Flächen beschränkt bleiben. Auch Straßenbegleitgrün – die oft unterschätzten Grünflächen entlang von Straßen und Wegen – könnte einen Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt leisten. Mit rund 680.000 Hektar Fläche in Deutschland könnten Straßenränder eine wichtige Rolle im Kampf gegen das Insektensterben spielen – sofern sie insektenfreundlich bewirtschaftet werden.
Erste Feldexperimente belegen, dass entsprechend konzipierte Mähköpfe gegenüber herkömmlichen Böschungsmähern einen erheblichen Teil der Insektenpopulationen beim Mähvorgang verschonen. Diese Erkenntnisse haben bereits Einzug in die kürzlich erschienene VDI-Expertenempfehlung VDI-EE 4350 gefunden und können Landwirtschaft, Kommunen und Naturschutz als wertvolle Leitlinien dienen.
Universität Hohenheim
Originalpublikation:
von Berg, L., Frank, J., Erhardt, S., Betz, O., Steidle, J.L.M., Böttinger, S. et al. (2025) Minimising insect mortality during grassland mowing: The potential of insect chasing devices. Insect Conservation and Diversity, 1–13. Available from: https://doi.org/10.1111/icad.12854
von Berg, L., Frank, J., Betz, O., Steidle, J. L. M., Böttinger, S., & Sann, M. (2025). Disc mower versus bar mower: Evaluation of the direct effects of two common mowing techniques on the grassland arthropod fauna. Journal of Applied Ecology, 62, 360–370. https://doi.org/10.1111/1365-2664.14852