Zur Impfpflicht gegen Covid-19 für Mitarbeitende in besonderer beruflicher Verantwortung
Die Pandemie geht in den zweiten Winter. Nur mit einem Bündel von bekannten Maßnahmen lässt sich das Virus einhegen: von einer effektiven Teststrategie über deutlich bessere Datennutzung bis hin zu verschiedenen Formen von Hygienekonzepten und Kontaktreduzierungen. In den letzten Wochen hat die öffentliche Debatte über berufsbezogene gesetzliche Impfpflicht immens an Intensität gewonnen. In einigen europäischen Ländern ist sie eingeführt worden.
Der Deutsche Ethikrat hat sich bereits in seiner Stellungnahme zur Masernimpfung im Jahr 2019 mit einer berufsbezogenen Impfpflicht beschäftigt und diese für eine Reihe von Berufsgruppen empfohlen. [1] In seinem gemeinsam mit der Ständigen Impfkommission und der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina veröffentlichten Positionspapier vom November 2020 hat er zudem ausgeführt: „Eine undifferenzierte, allgemeine Impfpflicht ist (…) auszuschließen. Wenn überhaupt, ließe sich eine Impfpflicht nur durch schwerwiegende Gründe und für eine präzise definierte Personengruppe rechtfertigen. Dies beträfe insbesondere Mitarbeiter*innen, die als potenzielle Multiplikatoren in ständigem Kontakt mit Angehörigen einer Hochrisikogruppe sind, wenn nur durch eine Impfung schwere Schäden von dieser Personengruppe abgewendet werden könnten.“ [2]
Der Rat empfiehlt angesichts der gegenwärtigen pandemischen Situation nun ohne Gegenstimme bei drei Enthaltungen eine ernsthafte und rasche Prüfung einer berufsbezogenen Impfpflicht in Bereichen, in denen besonders vulnerable Menschen versorgt werden. Beschäftigte, die schwer oder chronisch kranke sowie hochbetagte Menschen beruflich versorgen, wie ärztliches und pflegendes Personal, aber auch Mitarbeitende des Sozialdienstes, der Alltagsbegleitung oder der Hauswirtschaft, tragen eine besondere Verantwortung dafür, die ihnen Anvertrauten nicht zu schädigen. Gleiches gilt für Institutionen und Einrichtungen, die dafür verantwortlich sind, die dort versorgten Menschen keinen vermeidbaren gesundheitlichen Gefahren auszusetzen.
Der Deutsche Ethikrat empfiehlt der Bundesregierung, unverzüglich eine hinreichend differenzierte gesetzliche Regelung für eine berufsbezogene Impfpflicht zu prüfen und gegebenenfalls eine praktikable und effektive Umsetzung vorzubereiten. Vielfach diskutierte Sorgen um etwaige negative Konsequenzen einer solchen Maßnahme, etwa Berufsausstiege in den betroffenen Berufsgruppen, müssen dabei berücksichtigt werden, sind aber im Rahmen der Schutzpflichten gegenüber Menschen aus Hochrisikogruppen zu bewerten. Jedenfalls ist darauf zu achten, vorhandene strukturelle Probleme in Einrichtungen und für die betroffenen Berufsgruppen auf keinen Fall zu verstärken. [3]
Es steht zu hoffen, dass bereits die Diskussion um die Einführung einer gesetzlichen Impfpflicht als ein Signal in den Institutionen wahrgenommen wird, zügig effektive, aufsuchende Impfkampagnen mit zielgruppenspezifischer Information und Aufklärung für die verschiedenen Berufsgruppen zu organisieren, die mit den ohnehin angezeigten Booster-Impfkampagnen kombiniert werden könnten.
Der Deutsche Ethikrat betont, dass die – auf Freiwilligkeit, Information, Überzeugungsarbeit und Vertrauensbildung beruhende – Impfstrategie unverändert wichtig bleibt. Die Anstrengungen, möglichst alle Menschen von der Notwendigkeit der Impfung zu überzeugen, sollten verstärkt werden. Außerdem muss eine weiter ausgebaute Teststrategie die Impfstrategie ergänzen.
Der Text ist abrufbar unter https://www.ethikrat.org/fileadmin/Publikationen/Ad-hoc-Empfehlungen/deutsch/ad-....
Deutscher Ethikrat